2. März 2011

Meet me in Conakry

Tag 49
Montag, 21.02.2011

Nach zwei fast schlaflosen Naechten vor und waehrend des kleinen Motorradausflugs zu den Wasserfaellen im Fouta Djalon war heute einmal ordentlich ausschlafen mehr als nur noetig. Auch heute bestand das Fruehstueck nur aus Kaffee, da die Baecker in Labe auf Grund der steigenden Mehlpreise weiterhin streiken. Wer seine Marmalade und seine Butter nicht gerade vom Daumen lutschen will, fuer den faellt Fruehstueck derzeit leider aus. Aber auch ohne morgendliche Staerkung war kein Weg um den grossen Waeschehaufen zu machen und da heute ausnahmsweise mal fliessend Wasser aus der Leitung kam (sonst musste man sich dieses meist aus dem hauseigenem Brunnen im Garten schoepfen), wurde zum grossen Waschtag geblassen. Drei Stunden und einige blutige Finger spaeter hing dann der eigene Balkon mit fast dem ganzen Rucksackinhalt voll. Immerhin Mittagsessenzeit goennte man sich noch ein paar Fleischspiesse, bevor es mit dem Moto in die Stadt ging. Die Auberge Campagne ist zwar top, liegt allerdings nicht gerade in laufweite zum eigentlichen Stadtzentrum. Bei einem Umkostenpreis von gerade einmal 5.000 GF (zur Erinnerung: 1 Euro entspricht knapp 10.000 GF) fuer eine Moto-Fahrt innerhalb der Stadt ist das aber zu verschmerzen.

Hauptaufgabe hier war neben einem Bankbesuch zwecks Aufstockung der lequiden Mittel allen voran das organisieren von Couchsurfing-Moeglichkeiten in den naechsten Stationen Conakry und Freetown. Desweiteren sollte die derzeitige Situation in Liberia ausfindig gemacht werden. Dieses jahrzehnte von Buergerkriegen stark gebeutelte Land soll nun zwar wieder bereisbar sein, ein Tourismus hier existiert aber absolut garnicht. Dementsprechend schwer ist es da, was rauszufinden. Das Auswaertige Amt raet wie immer, besser mit dem Arsch zu Hause zu bleiben, haelt es aber leider nicht fuer notwendig, die "aktuelle Situation im Lande" zu aktualisieren, sind die auf der Seite der Botschaft erhaeltlichen Informationen diesbezueglich vom Juni letzten Jahres. Sehr aktuell also, gerade in Afrika. Auch in Nachrichten und auf anderen Internetseiten liesst man wenig bis gar nichts ueber die Sicherheitssituation im Land, weshalb nun Kontakt mit Leuten aufgenommen werden sollte, die es wissen muessen: Expats! Expats ist die abgekuerzte Bezeichnung fuer Menschen, die fuer einen temporaeren Zeitraum in einem anderen Land leben und einer Arbeit nachgehen, ohne die Absicht zu haben, in diesem Land heimisch zu werden. Im Falle Afrikas also meist Civil- und Peaceworkers, die fuer humanitaere Gruende dort weilen und versuchen, den Aufbau des zerstoerten Landes zu unterstuetzen und mitzuorganisieren. Auch hier war Couchsurfing sehr hilfreich, fand man ueber dieses Portal Andreas, ein Oesterrreicher der im Landesinneren ein Schulprojekt leitet und Maria, eine Aachenerin, die als Peaceworkerin in der Hauptstadt Monrovia stationiert ist. In den naechsten Tagen sollte man von beiden ausfuehrliche und fast identische Antworten bekommen, die besagten, dass es fuer jemanden, der schon in Laendern wie Guinea gereist war, keine grossen Ueberraschungen geben wuerde. Mit der allgemeinen Umsicht die auch in anderen afrikanischen Laendern und Staedten von Noeten ist, wuerde man ohne weiteres gefahrlos reisen koennen, schlechte Erfahrungen hatte keiner von beiden in all der Zeit in der sie bereits in Liberia sind, gemacht. Die Hauptsorge konnte auch geloest werden, bot Maria uns an, uns am Taxiplatz an dem wir ankommen wuerden, abzuholen und uns bei sich zu beherbergen. Unser groesstes Problem lag naemlich in der Erwartung, bei der sehr schwirigen Piste von Sierra Leone aus erst in Dunkelheit in Monrovia anzukommen, einer Zeit in der man besser nicht an den falschen Ecken dieser Stadt sein sollte als Weisser. Doch das sollten nicht die einzigen positiven Nachrichten des Tages bleiben. Beim Abendessen klingelte auch schon das Telefon und Simon, ein in Conakry lebender Franzose, lud uns auf unsere CS-Anfrage hin herzlich bei sich zu Hause ein. Tja, manchmal laeuft es eben...

Tag 50
Dienstag, 22.02.2011

Spontan hatten wir uns entschlossen, noch einen weiteren Tag in unserem schoenen aber guenstigen Hotel in Labe zu bleiben und noch einmal anstaendig zu relaxen, bevor es auf die naechste Etappe gehen sollte. Heute sollte es dann sogar Fruehstueck geben, der Brotstreik scheint beigelegt, ob Verdi seine Finger im Spiel hatte, ist aber nicht zu sagen. Mit dem Moto ging es wieder in die Stadt und da sich kein zweites auftreiben liess auf die schnelle, fuhr man, wie schon einige male vorher, eben zu dritt auf einem. Gerade bei Ibrahim war das weiter kein Problem, so ist dessen Onkel irgend ein Oberpolizeimockel, was jeder in der Stadt weis und er daher ein paar besondere Freiheiten geniesst. Im allgemeinen besagt irgendein neues Gesetz aber wohl, dass pro Moto nur noch ein Fahrgast transportiert werden duerfe. Kaum unterwegs wurden wir heute dann tatsaechlich von der Polizei gestoppt und der Fahrer, die arme Wurst, wurde vom Moto gezerrt. Ende der Fahrt und Mopped beschlagnahmt. Waehrend unser Fahrer also vom Officer lautstark zusammengeschissen wurde, wurde dieser immer kleiner und sackte in sich hinein. Ja, er tat mir richtig leid in dieser Situation und so entschloss ich mich, zumindest mal zu sehen, was ich in der Situation vielleicht ausrichten koennte. Uns wurde von der Polizei weiter nichts vorgeworfen, muesse schliesslich der Motofahrer die Gesetze kennen und nicht wir. Ja, zu uns war man richtig freundlich und zuvorkommend und man bot uns an, zwei andere Motos anzuhalten, damit wir unsere Reise fortsetzen konnten. In dieser Gelegenheit bedankte ich mich artig fuer die Behandlung, bat aber darum, schauen zu duerfen, inwiefern ich meinem Fahrer helfen koenne. Schliesslich haette er uns ja nur zu zweit mitgenommen, da kein anderes Moto zu finden war, er war also einfach nur nett zu uns und nun wolle man helfen. Ein bisschen blabla hier, ein bisschen blabla da, hatte man sich irgendwann auf eine Strafe von nur noch 60.000 GF fuer den Fahrer geeinigt, die natuerlich der Fahrer zu bezahlen habe und nicht wir. Dieser hatte allerings nur 15.000 GF dabei, mit dem Angebot, sein gebotenes Geld mit einer Spende zu verdoppeln, war die Sache dann aber geritzt und das Moto wurde unter weiterer Ermahnungen in Richtung des Fahrers wieder freigegeben. Fuer umgerechnet 1,50 Euro hatte ich also ein beschlagnahmtes Motorrad inklusive dem Fahrer freigekauft. Geht in Ordnung und der Fahrer war offensichtlich mehr als gluecklich mit dieser Fuegung und bedankte sich noch mehrmals schuechtern bei mir und Annika.

Ansonsten passierte nicht viel erzaehlenswertes an diesem Tag. Das Termomether kletterte wieder auf die 40 Grad Marke, so dass man die Stadtbesichtigung nach Marktrundgang und Besuch der grossen Moschee schnell wieder fuer beendet erklaerte. Fuer Internetzugang sei in Labe der Laden "Cofobreak" empfohlen, den zum einen jeder Motofahrer kennt, zum anderen eine respektable Verbindung (natuerlich nicht mit Europaeischen Verhaeltnissen vergleichbar, aber weit besser als die in Gambia) fuer 6.000 GF die Stunde bietet. Ach ja, geschoppt haben wir ja auch noch. Im Fachgeschaeft fuer Flipflops und Reis (der Laden fuehrte tatsaechlich nur diese zwei Produkte, die so ja eigentlich rein garnichts miteinander zu tun haben) kaufte man sich fuer den einmaligen Preis von 12.500 GF ein paar der beliebten Gummilatschen. Das letzte Mahl in Labe wurde dann noch einmal im Tata eingenommen, man goennt sich ja sonst nichts. Zwei Mahlzeiten inklusive Getraenke fuer zwoelf Euro ist jetzt aber auch nicht exorbitant teuer. Um 22.30h hiess es dann Nachtruhe, stand morgen ja fruehzeitiges Erscheinen auf dem Programm

Tag 51
Mittwoch, 23.02.2011

Als um sechs der Wecker klingelte, musste man feststellen, dass es noch stockdunkel war. Da weder Strom noch Kerzen vorhanden waren, gab es also wenig Alternativen wie erst mal weiterschlafen, was auch weiter nicht schwer fiel. Um sieben ging es dann aber los, muss man naemlich frueh aufbrechen, wenn man hierzugegend reisen moechte. Am Abfahrtsplatz der Sammeltaxis war schnell ein Wagen ausgemacht, der tatsaechlich "nur" neun Passagiere transportierte. Wahnsinn, wie schnell sich der Mensch an Dinge gewoehnt und damit schon mit Zustaenden schwer zu frieden ist, die unter normalen Umstaenden als schwer ungemuetlich bis unzumutbar bezeichnet worden waeren. Nebst der menschlichen Passagiere im Wagen, hatte man auch noch einen tierischen Fahrgast in Form eines auf das Dachgepaeck geschnuerte Huehnchen, welches in Labe noch lebte, bei der Pause auf halber Strecke immerhin noch zuckte, in Conakry angekommen dann aber den Todeskampf ueberstanden hatte. Immerhin war es bei uns nur ein Huhn, waehrend auf dem Taxi vor uns doch allen ernstes ein lebender, ausgewachsener Schaafsbock aufs Dach geschnuert und unter stendigem gebloecke abtransportiert wurde. Ich wuerde ja zugern mal die Gesichter sehen, wenn man mit einem lebenden Schaaf in Hannover in den ICE steigen wuerde. Andere Laender, andere Sitten.

Die Strasse von Labe bis Conakry ist gut ausgebaut und ueberwiegend geteert, so dass die 420 km inklusive einer Essens- und einer Beetpause nach knapp neun Stunden abgespuhlt waren. Um 17.30h also in der Hauptstadt, sollte Simon um 18h Feierabend machen, also verabredete man sich bei seiner Arbeitsstelle. Das Taxi fuer 20.000GF benoetigte dann aber ueber eine geschlagene Stunde durch den fast ausnahmslos stehenden Verkehr, zu Fuss waere man wohl schneller gewesen. Simons Arbeitsstelle konnte auf Anhieb begeistern, arbeitet er doch in der oertlichen Brauerei "Sobragui", die unter anderem die Biersorten Flag, Castell und Guiluxe herstellen. Zu spaet und vor allem auch ein bisschen zu fertig fuer eine Brauereibesichtigung ging es aber in Simons Dienstwagen in seine Residenz. Sich urploetzlich auf einem geraeumigen Ledersitz in einem klimatisierten Nissan Patrol neueren Baujahrs wiederzufinden war fast schon ein Kulturschock. Unsere temporaere Heimat wusste nicht weniger zu ueberzeugen, verfuegt die 3-Zimmerwohnung in der staendig bewachten und mit eigenem Aussenpool ausgestatteten Wohnanlage ueber zwei Balkone und Klimaanlagen in jedem Raum. Da auch in der Hauptstadt die Stromversorgung nur sporadisch funktioniert, wird der gesamte Komplex mit grossen Dieselagregatoren gespeisst, hat also ueber 24 Stunden fliessend Strom und Wasser und damit auch westliche Luxusgegenstaende wie einen Kuehlschrank und eine Waschmaschiene. In Anbetracht der eigentlichen Lebensbedinungen hierzulande fast schon dekadenter Luxus, zwischendurch aber durchaus mal angenehm.

In Conakry gibt es genauso wenig Tourismus wie irgendwo anders in diesem Land, ein paar Weisse mehr laufen dann aber doch umher. Groesstenteils Franzosen, es gibt aber wohl auch ein Grueppchen Spanier und Russen und Chinesen sind ja sowieso ueberall. Und ueberall da, wo sich fernab der Heimat ein Haufen Eorpaeer tummelt, findet man auch ein paar Annehmlichkeiten fuer diese. Wer also waehrend einer Afrikareise mal ein bisschen Urlaub von Afrika machen moechte, der geht ins Restaurant in Coleah, gefuehrt von einem Franzosen, setzt sich an Tische mit Tischdecken und Kerzen in einem gruennen Innenhof und geniesst Salat mit gebackenem Schaafskaese, Pizza Funghi und Rumpsteak. Mal abgesehen von den Angestellten habe ich genau zwei andere Maxis gezaehlt, was natuerlich auch an den Preisen liegt, die schon ein bissche hoeher angesiedelt sind als in den ueblichen Reiskuechen am Strassenrand, aber mit zum Beispiel 3,90 Euro fuer ein Streak mit Kartoffeln noch absolut in Ordnung gehen. Ein bisschen Little Europee im fernen Afrika also und manchmal tut so ein bisschen Heimat ja auch mal gut, allen voran was das Essen angeht. So lernten wir in lauschiger Runde unseren Gastgeber kennen und dieser seine Gaeste, deutsch-franzoesische Voelkerverstaendigung per excellance, natuerlich auch bevorteilt durch Simons guten Deutschkenntnissen die er aus seiner Zeit in Leipzig mitgebracht hatte. Nun arbeitet er als IT-Manager bei der unter franzoesischer Leitung stehenden Brauerei und das mit gerade einmal 26 Jahren. Ein geiler Job, allen voran weil es nebst Wohnung, Dienstwagen und Gehalt auch noch zwei Kisten Bier pro Monat gibt. Das ist doch mal eine Entlohnung. Ein Job sei derzeit aber leider nicht frei, wie man mir auf Nachfrage mitteilte...

Tag 52
Donnerstag 24.02.2011

7.30h hiess es raus aus den Federn, sollte am ersten vollen Tag in der Hauptstadt auch gleich die Organisatorischen Dinge ins Rollen gebracht werden. Simon brachte uns noch bis zur Bicigu-Filliale, die auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle liegt und uns mit der noetigen Kohle fuer das kommende beliefern sollte. Von hieraus war die im Stadtteil Bellevue gelegene Botschaft Sierra Leones in gut 20 Minuten Fussmarsch erreicht. Leider will man auch hier, genauso wie in Banjul, knackige 100 US-Dollar fuer ein Single-Entry-Visum sehen und wahrscheinlich da der Gegenwert in Guinea Franc einem etwa 10cm dicken Geldbuendel entspraeche, werden auch nur US-Dollar akzeptiert, oder aber 90 Euro. Da gefilel der Umrechnungskurs aber garnicht, also vor der Tuer den dort rumstehenden Geldwechsler beauftrragt und fuer 1.530.000 GF (in 10.000er und 5.000er Scheinen!!!) in 180 USD gewechselt, mehr hatte man an GF gar nicht zu bieten. In meinem Geldbeutel fliegen aber seit dem Palaestina-LP (dort ist der USD das offizielle Zahlungsmittel) noch zwei zehn Dollar Noten rum. Manchmal braucht man eben auch glueck. Also die Paesse inklusive 200 USD dagelassen. Visum dauert normalerweise drei Tage, da aber vorher ein Amerikaner da war, der gegen einen kleinen Aufpreis eine "Expressvariante" bestellte, wuerde man unsere zwei Paesse auch gleich mitmachen und wir koennten sie dann morgen, noch vor dem Wochenende wieder in Empfang nehmen.

Also wieder zurueckgedackelt bis zum Fiddel-Castro-Highway (ein Relikt aus der kommunistischen Vergangenheit Guineas) und hier die Bahnschienen entlang in Richtung Stade 28 Septembre, dem Nationalstadion des Landes. Die 45 Minuten Fussmarsch verlangten einem alles ab. Zwar ist es in Conakry im Gegensatz zu Labe temperaturtechnisch etwas "kuehler" (Tageshoechsttemperaturen von 32 - 35 Grad), dafuer die Luftfeuchtigkeit um einiges Hoeher, bewegt sich naemlich bei 60 bis 75 %. Dementsprechend schwuehl und heiss fuehlt es sich an und man zerlaeuft schon ohne sich ueberhaupt nur zu bewegen. Hinzu kommt, das Conakry auf einer einzigen Muellkippe scheint erbautworden zu sein. Es gibt Strassenzuege und Ecken, an denen der Boden nicht mehr zu erkennen ist, da er komplett mit vor sich hinverwesenden Muell kniehoch bedeckt ist. Bei den vorherrschenden Temperaturen ist der Gestank zu erahnen. Um den durch solche Vermuellung enstehenden Seuchen irgendwie zumindest ein bisschen Herr zu werden, zuenden die Leute hier den ganzen Mist einfach staendig an. Ein beissenden und in den Lungen schmerzender Gestank von Rauch und giftigen Daempfen kommt also noch dazu und vermischen sich mit den dunklen Abgaswolken der ganzen zerdellten, schrottreifen Autos, die sich in den Strassen stapeln und von frueh morgens bis in die Nacht einen einzigen Megastau durch die ganze Stadt verursachen. Ich haette ja nicht gedacht, dass ich mal eine Stadt finden werde koennen, von der ich es behaupten koennte, aber hier ist es voll und ganz moeglich: Im Vergleich hierzu sind Staedte wie Guatemala City, Baku oder Kairo fast schon Luftkurorte. Ein halber Tag rumlaufen, allen voran in der Gegend hier, reicht vollkommend aus, um selbst an den Beinen unter der Hose vier Nuancen dunkler zu werden. Wenn man sich zu Hause duscht, laeuft die schwarze Russbruehe nur so vom Koerper.

Am Stadion angekommen, bedeutete uns eine Kreidetafel, dass sich hier am morgigen Freitag der Hauptstadtclub Horoya AC die Ehre gibt und ab 16.30h im Kraeftemessen gegen die aus dem fernen Siguiri stammenden Ashanti Gold Boys (was ein Name fuer einen Fussballverein) gegen den Ball treten wird. Na also, geht doch. Fertig genug, verdreckt von Smog und Russ und verklebt vom nicht enden wollenden Schweissfluss war dann genug spazieren gegangen fuer heute und ein Fortbewegungsmittel zurueck nach Coleah wurde gesucht. Das ganze gestalltet sich hier aber nicht so einfach, ist der oeffentliche Personennahverkehr hier doch relativ tricky. Um in einem der Sammeltaxis oder Minibusse mitgenommen zu werden, muss man sich an den Strassenrand stellen und durchgehend mit dem Finger in die Himmelsrichtung winken, in der ungefaehr das Ziel der Reise liegt. Faehrt ein Taxi oder Bus in ungefaehr diese Richtung und hat noch Platz, wird er kurz langsamer und bedeutet dem Winkenden mit einer Handbewegung, dass er nun den Namen des Zieloertes laut rufen moege. Kommt der Fahrer dort vorbei (vorausgesetzt er kennt das zugerufene Ziel ueberhaupt bzw er erkennt das zugerufene Ziel aus dem Genuschel, was mein nicht vorhandenes Franzoesisch hervorbringt), bleibt er stehen. Wenn nicht gibt er wieder Gas. Und genau das taten alle! Mist! Letzte Option ist auf ein zufaelligerweise gerade komplett leeres Taxi warten und "Taxi placement" schreien, was dem Fahrer bedeutet, man wuerde fuer einen dementsprechenden Preis das ganze Taxi mieten. So laesst sich dann natuerlich auch das Ziel selbst bestimmen. Fuer den knapp halbstuendigen Ritt durch den obligatorischen Conakrystau zahlte man in diesem Falle dann 25.000 GF.

Gerade unsere erste Stadtodysee ueberstanden, traf man auch Simon wieder zu Hause, der seine Mittagspause mit einem kleinen Snack mit uns verbringen wollte. Fuer dessen Zubereitung ist dann Aischa zustaendig. Aischa ist eine Guinee und von Simon als Haushaelterin angagiert, die jeden Tag fuer ein paar Stunden dafuer sorgt, dass zu Hause alles sauber und ordentlich ist, die Waesche gewaschen wird, essen gekocht und noetige Einkaeufe erledigt sind. Fuer solcherlei Luxus zahlt man hierzulande ein Gehalt von 80 Euro, was laut Simon aber schon ein sehr faires und nett gemeintes Gehalt sei. Fuer Simon und nun auch fuer uns ein toller Luxus zu erschwinglichem Preis und fuer Aischa ein sicherer Arbeitsplatz um ihre Familie zu ernaehren. Haette ich studiert, wuerde ich dazu jetzt wohl sagen, dass es sich um eine Win-Win-Situation handele. Hab ich aber nicht, also war ich so treudoof wie ich nunmal bin als schlichter Realschulabsolvent gluecklich mit meinem Huehnchen mit Pommes und gut is.

Die groesste Nachmittagshitze wurde dann zu Hause verbracht, zumal sich bei mir - Achtung, jetzt kommts! - eine Erkaeltung anbahnte. Bitte fragt mich nicht, wie man es bei solchen Klimatischen Verhaeltnissen fertig bringt, aber mir lief die Nase wie im tiefsten Hamburger Nieselregenwinter. Mehr als ein kurzer Einkaufsbummel in dem nahegelegenen Supermarkt war auch Abends nicht mehr drin und da der Koerper wohl meinte "Wenn schon, denn schon", verbrachte ich den restlichen Abend mit meiner Schnupfnase im Quadratmetertechnisch kleinstem Raum der Wohnung. Ihr wisst schon, der Raum mit der meisten Keramik im Haus.

Tag 53
Freitag, 25.02.2011

Der Tagesbeginn heute fast identisch zu dem am Vortag, sollten heute morgen ja die Paesse bei der Botschaft Sierra Leones abgeholt werden. Nach dem ueblichen Fussmarsch hielt man schwer zufrieden seinen Pass inklusive Dreimonatsvisum in der Hand und da es gerade mal kurz nach neun Uhr war, ging es mit nem Taxi fuer 20.000 GF auch gleich zum nachsten Kreuzchen auf unserer Stadtkarte. Die Botschaft der Republik Mali stellte sich dann als ein wahrer Glueckstreffer da. So gibt es in den Vertretungen Malis auf der Hauptroute der Overlander, also Dakar und in Banjul nur 10-Tages-Visen die in Bamako umstaendlich verlaengert werden muessen. Hier in Conakry kommt freilich so gut wie nie ein Touri vorbei und dementsprechend freudig war man angesichts der Abwechslung im tristen Diplomatenalltag. Aeusserst freundlich wurde geduldig beim Ausfuellen des Formulars in franzoesischer Sprache geholfen und zwei Passbilder und nur je 180.000 GF spaeter gab es auch schon den Stempel in den Pass, der das Visum darstellt. Zu unserer Freude wurden gleich drei Monate und beliebig viele Einreisen bewilligt. Nicht nur finanziell gleich eine ganz andere Nummer als Sierra Leone.

Da auch das verblueffend schnell erledigt war und die Uhr erst elf zeigte, latschte man noch fix rueber zu den Kollegen aus Ghana. Warum wir schon hier in Conakry, noch etliche Laender entfernt von Ghana nach einem Visum fragen, wird sich der geographisch bewanderte Leser vielleicht fragen. Das ganze obliegt einer im letzten Jahr neu aufgetretener Problematik. Im ghanaischen Tourismusministerium gab es einen Machtwechsel und da ein neuer Mann natuerlich auch irgendetwas neu machen muss, aenderte er ein paar Visa-Regulierungen. So zum Beispiel auch die Tatsache, dass Visen nur noch bei der jeweiligen ghanaischen Vertretung ausgestellt werden, in dem man auch seinen Wohnsitz hat. In unserem Falle also Berlin. Das wir gerade aber dezente 10.000km davon entfernt sind und ja schlecht fuer einen Sticker im Pass mal nach Berlin fliegen koennen, ist eigentlich logisch. Nichts desto trotz lass man im Vorfeld immer wieder von endtaeuschten Touristen, die auf der Reise durch Afrika in Mali, Burkina Faso und Togo nach einem Visum fuer Ghana begehrten, aber stets auf die Botschaft im Heimatland verwiesen wurden. Wer aber in Afrika erfolgreich reisen moechte, der muss irgendwann auch so denken wie ein Afrikaner. In diesem Falle also die Ueberlegung, es fernab der Nachbarlaender Ghanas und fernab der eigentlichen Touristenroute an den Botschaften hier unten zu versuchen. In Afrika kann es durchaus gut moeglich sein, dass man zum Beispiel hier in Conakry gar nichts von der neuen Regelung weiss oder wissen will. Probieren geht ueber studieren und so sprach man also hier mal vor. Leider mit maessigen Erfolg, haette die Dame nebst der Ueblichen unterlagen ganz gerne eine "Carte de Sejour" gesehen, also dem guineeischen Pedant zum Deutschen Personalausweis. Das wir als Touristen ohne Wohnsitz in Guinea aber kaum eine solche bekommen konnte, glaubte Madam entweder nicht oder sie wollte es nicht war haben. Man solle jedenfalls zum "Ministerie des affaires entragenes", da wuerde man so etwas schon bekommen und dann koenne man wieder vorbei kommen. Nun gut, man behielt die Info mal im Hinterkopf, vielversprechend klang es nicht gerade. Da aber eh schon Mittag durchwar, waere auf einen Freitag nicht mehr zu organisieren, sodass es erst einmal wieder nach Hause ging um dort den ueblichen Stillstand waehrend des Freitaggebets abzuwarten. Dank bester Verpfelgung von Mama Aischa natuerlich nicht die schlimmste aller Aufgaben. Verdauungsspaziergang waere wohl das falsche Wort, Gewaltmarsch trifft es eher, hatte man die Entfernung zum Stadion doch ordentlich unterschaetzt. Pitschnass geschwitzt gab es fuer 20.000 GF dann aber ein schattiges Plaetzchen unter dem Tribuenendach und dem Laenderpunkt Guinea stand nichts mehr im Wege:

Freitag, 25. Februar 2011 - 16.30h
Horoya AC - AS Ashanti Golden Boys   1:1 (1:0)
1. Liga Guinea, 3. Spieltag - 1.800 Zs.
Stade du 28 septembre, Conakry (GUI), LP 69


Die Tage fuer das Stade 28 du septembre in Conakry sind gezaehlt, zumindest als Nationalstadion. In Hoffnung auf die Austragungsrechte fuer die CAN 2015 oder 2017 bauen ein paar fleissige Chinesen gerade eine riesige Schuessel vor die Tore der Stadt. Letztes Monat entschied sich der Afrikanische Fussballverband allerdings leider fuer Marokko und Suedafrika als Austragungslaender. Trotz allem wird das Bauvorhaben wohl weiter verfolgt und sich eben fuer 2019 und 2021 beworben. Noch wird aber im alten Stadion gegen den Ball gekickt und ich koennte mir vorstellen, dass das Stade zumindest fuer den Ligafussball erhalten bleiben wird. Fuer die hiesigen Verhaeltnisse ist das Leichtahtletikoval, dessen offizielle Kapazitaet mal mit 25.000, mal mit 35.000 angegeben wird, schon ueberdimensioniert genug. Trotz der ueber eine Millionen Einwohner in der Stadt und einem Eintrittspreis von gerade mal 20 cent, fanden sich heute noch nicht mal ganz 2000 Zuschauer ein. Einen sehr denkwuerdigen Rekord in der Anzahl der im Stadion befindlichen Menschen wurde allerdings erst vor nicht ganz anderthalb Jahren aufgestellt. Am 28. September 2009, dem 51. Unabhaengigkeitstages Guineas, demonstrierten hier ueber 50.000 Menschen gegen die seit einem Putsch nach dem Tod des bisherigen Praesidenten Conte herrschende Millitaermacht. Weswegen gegen das regierende Millitaer demonstriert wurde, zeigte das Millitaer am selben Ort in grausiger Marnier. Die Demonstranten wurden teils ins Stadion eingeschlossen und das Feuer auf diese eroeffnet. Das oertliche Krankenhaus sollte spaeter 157 eingelieferte Leichen zaehlen, wie viele mehr noch an diesem Tag im Stadion ihr Leben liessen, duerfte wohl nie bekannt werden. Amnesty International zaehlt bisher ueber 100 bekanntgewordene Vergewaltigungsfaelle von Soldaten an demonstrierenden Frauen, die Berichte dieser zu den Vorfaellen sind an Grausamkeit kaum zu ueberbieten. Auf der Internetseite von Amnesty Inernational kann man Berichte von vergewaltigten Lesen, denen teils brutale Verstuemmelungen zugefuert wurden, einer jungen, wohl noch minderjaehrigen Frau wurden waehrend der brutalen Taten die Bruesste mit einem grossen Jagdmesser abgeschnitten. Wer genaueres erfahren moechte und mehr Details vertraegt, findet auf der AI-Seite die entsprechenden Augenzeugen- und Opferberichte. Das keine 16 Monate spaeter auf dem blutgetraenkten Boden wieder Rasen waechst, unter der FIFA-Fahne "My game is fair play" Fussball zelibriert wird ist fast schon unvorstellbar. Leute sitzen friedlich Zusammen und verfolgen den Geschehnissen auf dem Rasen, junge Maedchen und Frauen laufen umher und verkaufen von den grossen Schalen und Eimern, die sie graziel auf ihren Koepfen balancieren, kalte Getraenke, Erdnuesse und gekochte Eier. Das in Einklang zu bringen mit den Graeultaten des damaligen Septembernachmittags scheint nahezu unmoeglich. Aber vielleicht ist es genau der richtige Weg, das was die Leute hier brauchen. Vergessen koennen und wieder ein normales Leben fuehren, ohne Angst, ohne Furcht, ohne Krieg und Millitaerunterdrueckung. Das alles ist erst seit den endgueltigen Abschluss aller Wahlgaenge Ende 2010 wieder moeglich, das Land ist eben erst dabei, sich von all den Jahren des Schreckens zu erholen und auch wen es im ersten Moment irritierend scheint, vielleicht ist genau das der richtige Weg.


Also gehen auch wir diesen Weg und schreiben ueber die dagegen als belanglose Banalitaeten erscheinenden Geschehnisse eines ganz normalen Fussballspiels. Die Qualitaet des gezeigten Sports natuerlich unterirdisch, das Spiel trotz eines 1:1 eher langweilig und auch sonst ist im Stadion nicht viel los, die Leute verfolgen Schweigend das Spiel. Doch als das 1:0 faellt, gibt es urploetzlich kein Halten mehr. Die Leute Springen und Schreien aussersich vor Freude, als haetten sie gerade den Weltpokal geholt, nur um zwei Minuten spaeter wieder voellig ruhig dazusitzen. Hab ich so auch noch nicht gesehen. Aehnlich die Szenen beim 1:1, auch hier wieder alle am springen und alle scheinen sich zu freuen. Man scheint hier scheinbar nicht gross auf den Sieg irgendeines Teams wert zu legen, vielmehr scheint das Ziel eines Guineanischen Fussballzuschauers einzig allein zu sein, nach Moeglichkeit ein Tor zu sehen, egal von wem. Auch das hatten wir so noch nicht gesehen. So war natuerlich nicht auszumachen, ob denn ein Gaesteanhang im Stadion war, wenngleich ich mir sicher bin, dass kein Mensch aus dem nahe der Maligrenze gelegenen Siguiri die Kohle fuer so eine Reise haette, nur um ein Fussballspiel zu sehen. Hoechstens vielleicht ein paar in der Hauptstadt wohnende Aussiedler, was aber aus genannten Grund nicht auszumachen war. Das Stadion selbst ist ein geschlossenes Rund, komplett ausgestattet mit nummerierten Plaetzen auf Betonsitzbaenken. Zu diesem Ligaspiel war lediglich die ueberdachte Haupttribuene geoeffnet, der Rest des Stadion ist unueberdacht und blieb heute leer. Die zwei Anzeigentafel hinter den jeweiligen Kurven blieben aus und das Flutlicht musste aus bleiben, da es zwar vier Flutlichtmasten gibt, diese aber ueber keine Scheinwerfer (mehr?) verfuegen. Auch die paar Scheinwerfer auf dem Stadiondach sind allesamt mit leeren Fassungen. Da scheint jemand Geld gebraucht zu haben... Simon kam waehrend der zweiten Halbzeit auch noch vorbei, nachdem er Feierabend gemacht hatte. Das der Ground nicht zaehlt duerfte ihm aber wurst gewesen sein. Das Foto vom Stadioninnenraum war auch kein Problem und wurde ohne grosses Tamtam von der Polizei genehmigt. Alsbald sollte ich aber bald um dieses und all meine anderen Fotos auf der Speicherkarte bangen und das kam so:
Mit Simon ging es nach dem Spiel noch auf kleine Stadtrundfahrt, hier und da wurde ein Foto aus dem Auto heraus gemachte, die katholische Kirche im Stadtzentrum wurde in der Abenddaemmerung eingefangen und dann beging man einen folgeschweren Fehler. Ohne es zu wissen, lichtete man den Praesidentenpalast ab. Der war als solcher nicht zu erkennen, einfach nur ein eindrucksvolles Gebaeude hinter einer grossen unzaeunten Parkanlage. Urploetzlicht stuermte eine ganze Horde bewaffneter Soldaten aus dem nichts auf unser Auto zu, schrien Anweisungen die ich nicht verstand, trommelten auf unser Auto. Einer riss meine Beifahrertuere auf, schubste mich zur Seite und zwaengte sich nebenmich um alsgleich mit roher Gewalt den Zuendschlussel aus dem Schloss zu reisen. Von null auf hundert war man hellwach, das Adrinalin schoss in die Adern und bevor einer der Soldaten versuchte, mir die Kamera zu entreisen, hatte ich sie fest ums Handgelenk gebunden. Das Problem war jedenfalls klar, man hatte ein Foto gemacht, was man aus irgendwelchen Gruenden nicht haette machen duerfen. Das aeusserst Agressive auftreten des Millitaers machte es aber schwirig, eine Loesung zu finden. Ich stemmte mich gegen meinen unfreiwilligen Sitznachbarn um ausserhalb seiner Reichweite die Kamera anzuschalten und das letzte Bild vor seinen Augen zu loeschen, waehrend ich mich staendig versuchte zu entschuldigen und auch Simon unentwegt im ruhigen Ton erklaerte, dass es einem Leid tue und man eher versehentlich den Palast fotografiert haette. Die Wogen glaetteten sich zu mindest ein klein wenig und wir wurden angewiesen, alle auszusteigen. Mit Engelszungen redeten wir auf die Soldaten, allen voran auf den Cheffe ein, doch alles half nichts. Alle Bilder auf der Kamera sollten geloescht werden, dass damit alle Erinnerungsfotos der letzten zwei Monate weg waeren, interessierte unser Gegenueber schlichtweg nicht. Wenn wir dem nicht nachkommen wuerden, bliebe Wagen und Fotoapperat, obwohl sie letzteres ja gar noch nicht hatten, beschlagtnahmt. Ausserdem waere es sowieso nur unserer weiblichen Begleitung zu verdanken, dass wir nicht Augenblicklich in den Knast wandern wuerden. Vor dem geistigen Auge liefen die berichteten Bilder von Kollege Linke ab, der in Afrika eine ganz aehnliche Situation hatte und letzten Endes tatsaechlich fuer ein paar Tage einsitzen musste. Alles half nichts, wir mussten aus der Situation irgendwie rauskommen, bevor wir tatsaechlich hinter Gitter wandern und nach bald zwei Stunden Diskutieren merkte man, dass der Geduldsfaden der Millitaers irgendwann eine Ende haben wuerde. Die Tatsache, dass es mittlerweile stockdunkel war und ausser uns und den gut ein Duzend Soldaten sonst kein Mensch hier unterwegs war, verstaerkte das unbehagliche Gefuehl noch. Letzten Endes zog ich wieder die Kamera hervor, machte sie an und drueckte den Formatierungsknopf. Im selben Moment schaffte es der mittlerweile hinzugekommene Oberboss, mir den Apperat zu entreisen und reichte ihn an einen anderen Soldaten weiter, der die Kamera in seine Tasche gleiten liess. Ja, man muesse ja erst mal pruefen, ob alle Bilder wirklich geloescht sind und ausserdem gaebe es ja noch eine Geldstrafe zu begleichen. Jetzt war es mein Geduldsfaden der riss. Nach ueber zwei Stunden devotes Betteln, sich entschuldigen und Hundeblick schaltete ich nun in einen ganz anderen Modus. Sichtlich ueberrascht waren die Herrschaften dann von meinem Lautstarken auftritt und dem grossen Tamtam. Jetzt ging es relativ schnell, Simon ging mit dem kleinen Boss in die eine Richtung, ich mit dem Oberboss in die andere Richtung, jeder von ihnen bekam 100.000 GF zugesteckt und nun waren die Rollen vollends komplett getauscht. Waehrend ich also aeusserst sauer den grossen Zampano makierte, waren die Soldaten die, die kleinlaut, ruhig und freundlich auf mich einredeten. Man wuerde nur mit mir zusammen noch einmal schauen wollen, ob auf der Kamera auch wirklich keine Bilder mehr sind und dann konnte man gehen. Also Kamera an, auf Wiedergabemodus und auf allen Knoepfen rumgedrueckt. Der Bildschrim blieb schwarz, den auf deutsch geschriebenen Text auf dem Display uebersetzte ich auf englisch: "No pictures on memory card". Nur, dass ich dabei einen kleinen Uebersetzungsfehler machte. In Deutsch erschien in grossen Lettern naemlich "Bitte Speicherkarte einsetzen". Diese befand sich naemlich laengst in meiner rechten Socke und drueckte mir gegen die Fusssohle. Die Soldaten waren jedenfalls zufrieden und entliessen uns mit einem "Goodbye" zurueck in die Freiheit, die Schluessel gab es auch wieder zurueck. Ein gemurmmeltes "Arschloecher!" spaeter sassen wir wieder im Wagen um an der naechsten Kneipen halt zu machen und ein kaltes Bier zu bestellen. Das war ja gerade noch einmal gut gegangen und in Anbetracht der 1000Euro-Knast-Nummer des Hannoveraners war man mit 20 Euro ja verdammt gut weggekommen. Und die Bilder, die hatten wir auch noch gerettet. Was bleibt ist, dass mir afrikanische Gebaeudefotos absofort gestohlen bleiben koennen.

Zurueck zu Hause wurde der Schock erst einmal mit belgischen Starkbierspezialitaeten heruntergespuehlt, die Simon von seiner letzten Reise dorthin bis hierher mitgeschleppt hat. Hatte ich auch nicht gedacht, in Guinea mal belgisches Starkbier zu trinken. Und waehrend es die Partymeute langsam nach draussen zog, zog ich mich langsam zurueck. Auch wenn es heut schon besser war, so super hatte sich meine koerperliche Situation seit gestern Abend noch nicht gebessert. So ging Annika alleine mit Simon und Freunden auf grosse Clubhoppingtour durch Conakry. Als diese gegen fuenf Uhr morgens wieder aufschlugen, hatten sie vier Clubs durchgetestet und die Partyqualitaeten der guineeischen Hauptstadt fuer gut befunden, waehrend ich schon laengst im Reich der Traeume unterwegs war.

Tag 54
Samstag, 26.02.2011

So konnte meiner einer bis elf Uhr schlafen durchaus als ausschlafen bezeichnen, waehrend Annika ja sowieso irgendwie immer fit ist, egal wie lange die Nacht war, dafuer aber Simon noch ordentlich in den Seilen hing. Vom eigentlichen Plan, mit ein paar anderen Kollegen von Simon um neun Uhr loszufahren, um den Conakry vorgelagerten Trauminseln einen Besuch abzustatten, war man eh schon abgerueckt. Trotz dessen, dass man sich gemaechlich Zeit beim Fruehstueck liess und so schon nachmittag war, bis man loskam, wollte man trotzdem mal die Moeglichkeiten fuer einen Kurzbesuch der Illes de Loos genannten Inselgruppe abchecken. Am Boulbinet, dem Abfahrtsplatz der Piroquen gab es ausser uns zu so spaeter Stunde natuerlich keine anderen Interessenten mehr, weswegen man sich fuer 25 Euro eine ganze Piroque haette mieten muessen. Also entschieden, erst morgen zu fahren, strollte man noch ein wenig auf dem nahegelegenen Fischmarkt umher. Doch zurueck am Wagen erkannte Simon nen bekannten, ebenfalls Franzose, der doch tatsaechlich auch so lange getroedelt hatte. Wohl aufgrund der zwei Grazien, die er im Schlepptau hatte, wollte er trotz spaeter Stunde nicht auf einen Ausflug verzichten, sodass wir uns kurzerhand mit vier Euro pro Person an einer Piroque beteiligten und mitfuhren. Was man uns allerdings erst auf der einstuendigen Fahrt zu der kleineren Insel Ile de Roome erzaehlte, war, dass es erst morgen wieder zurueckgehen wuerden. Kollege Schnuerrschuh hatte sich fuer den Amuesementtrip mit den zwei Maedels, die wohl zusammen gerade mal so alt waren, wie er alleine, ein Zimmer in dem kleinen, aber ordentlich ueberteuerten Hotel auf der Insel gemietet. Fuer den kleineren Geldbeutel gibt es allerdings auch noch Mussa, ein kleiner, tuechtiger Insulaner, der fuer kleines Geld alles daran setzt, seine Kundschaft gluecklich zu machen. Da sind wir dann wieder an dem Punkt, wie positiv eine nicht vorhandene touristische Infrastruktur doch sein kann. Denn klar ist, wer hier herkommt, zumeist Weisse, wenn auch weis Gott nicht viele von ihnen, der ist nicht etwa Touri sondern einer der Expats die in Conakry arbeiten und leben und hier auf der Insel ein klein wenig Erholung von der Muellkippe auf der anderen Meeresseite suchen. Da ist Mussa also auf 100% Stammkundschaft angewiesen. Dementsprechend sicher ist es auch auf der Insel, kaeme ein bekanntwerdender Diebstahl jah einem Desaster fuer die Einnahmen der Insel gleich, wuerden die zahlungskraeftigen Expats einfach auf eine der anderen Inseln ausweichen. Kurzum: Mussa legte sich so richtig ins Zeugs. Einen Hecht, knapp einen Meter lang, wurde da alsbald praesentiert und, eben gefangen, als unser Abendessen vorgestellt. Schlafen waere kein Problem, einfach hier in diesem kleinen Strohverschlag, Matratze, Decke, Mosquitonetz... Hohl ich alles gleich mit dem Boot vom Inseldorf um die Ecke. Da stand dann auch schon eine grosse Kuehlbox mit kaltem Bier und ein paar Softgetraenken neben uns und schnell waren auch vier grosse Pakete Brennholz organisiert, fuer das abendliche Lagerfeuer am Strand. Dieser im uebrigen traumhaft weiss und der bisher wohl sauberste Fleck Erde den wir in den letzten Wochen zu Gesicht bekommen hatten. Das Wasser, hier zwischen den Inseln, schoen ruhig, turkisblau und auf Badewannentemperatur. Also alles wie man sich den Traumurlaub so vorstellt. Und wie man es sich so ganz und garnicht vorstellen vermag in Anbetracht der verseuchten Muellhalte nur eine Bootsstunde von hier entfernt. Das restliche Tagesprogramm war klar. Plantschen, relaxen, Bierchen trinken, essen, Lagerfeuer machen und die Abgeschiedenheit auf dieser herrlichen Insel geniesen. Der Alkohol zeigte seine Wirkung, deutsche und franzoesische Lieder wurden abwechslungsweise am Lagerfeuer zum besten gegeben und bis man schliesslich auf die Matratzen fiel, waren die fruehen Morgenstunden laengst angebrochen. Fazit: Eine durchaus nette Methode, einen 26. Februar zu verbringen...
Tag 55
Sonntag, 27.02.2011

Gut, es ist nicht alles Gold was glaenzt. Die Nacht war letzen Endes ab dann ein Horror, als man ueber und ueber mit Mueckenstichen, der ganze Koerper am jucken, aus dem Tiefschlaf gerissen wurde. Ja, Mussa hatte an fast alles gedacht, nur die Moskitonetze hatte er vergessen. Nun gut, hier so nah am Meer wuerde es schon nicht so schlimm werden mit den Quaehlgeistern und Moskitoabwehrmittel hatte man ja auch noch dabei. Doch weit gefehlt. Kaum lies die Wirkung der Tinktur nach, mit der man sich eingeschmiert hatte, frassen uns die Viecher fast auf. Notgedrungen musste also etwas unternommen werden. Die Matratze an den Strand in der Naehe des Spuehlsaums verfrachtet, wo zumindest eine leichte Prise durchgehend wehte. Der grosse Vorteil an Muecken ist naemlich, dass sie bei einem durchgehenden Windzug nicht landen koennen. So ist ein Ventilator durchaus eine gute Mueckenabwehr - mal so als kleinen Haushaltstip fuer zu Hause! Als weiteren Punkt natuerlich noch die Naehe zum Meer, waehrend diese Parasieten zwar auf stehende Gewaesser stehen (haha, Wortspiel), koenne sie mit Wellen und Salzwasser eher nichts anfangen. Hat am Ende dann auch geholfen und man konnte noch ein paar Stuendchen schlafen. Negativer Nebeneffekt war natuerlich, dass man mitten auf dem Praesentierteller lag und so beim erwachen gegen neun Uhr als erstes in die gaffenden Gesichter ein paar Kinder blickte.

Etwas angeschlagen zwar von der wenig erholsamen Nacht und dem Bierkonsum des Vorabends, summa summorum war es aber auch heute noch einmal ein traumhafter Tag mit aehnlichem Programm wie gestern, mal von Lagerfeuer und Bier abgesehen. Gegen 16 Uhr war man soweit auch wieder fit und ausgeruht genung und mit de Piroque ging es zurueck in die harte Wirklichkeit. Kaum die Hauptstadt in Sichtweite schwammen uns auch schon die ersten Plastikbeutel und Schuhsohlen entgegen, welcome back in Conakry. Zurueck im trauten Heim zauberte Annika aus den weltklasse Avocados, die es hier im Ueberfluss gibt (noch nie so leckere Avocados gegessen und auch die Mangos hier suchen geschmacklich ihres gleichen!) einen leckeren Dip und der Tag war perfekt. Der Preis des Inselausflugs war die Abgeschiedenheit, sprich kein Handy, kein Internet, keine Verbindung zur Aussenwelt und vor allem keine Verbindung nach Gelsenkirchen. Zurueck in Conakry konnte dann endlich die Nachricht vom geholten Punkt auf Schalke eintrudeln, der am spaeteren Abend noch bei einem kleinen Bierchen an einer Strandbar an der Croniche Nord, der noerdlichen Kuestenstrasse, gefeiert wurde. Highlight auf dem Heimweg war dann noch ein Strommast, der, waehrend sich an einem kleinen Kiosk noch jeder ein Schawarma holte, unter der Belastung der ungleichmaessigen Stromspannung ueber unseren Koepfen explodierte und einen praechtigen Funkenregen von sich gab, bevor die Stadt ein weiteres mal im Dunkeln lag.

Bevor naechste Woche dann in Richtung Sierra Leone aufgebrochen werden kann, gibt es mit der liberianischen Botschaft hier in Conakry einen letzten Haupterledigungspunkt abzuarbeiten. Wenn denn alles wie geplant Verlaeuft, wird dann naechste Woche Laenderpunkt Nummer 70 in Angriff genommen. Doch mit Planung ist es natuerlich mal wieder nicht so weit her. So war bisher noch nicht einmal festzustellen, ob die Liga in Sierra Leone derzeit laeuft, geschweige denn ob und wann demnaechst Spiele stattfinden. Aber Ansetzungtechnisch muesste man ja langsam auch mal etwas Glueck haben nach all dem Pech diesbezueglich. Wir werden sehen und notfalls warten wir halt - so wie man es in Afrika eben macht!