10. Januar 2011

Aufbruch - Die letzte Woche Europa

Tag 1
Dienstag, 04.01.2011

Nach acht Ausgaben Grenzgänger war klar, 2011 fahren wir für ein Jahr nach Polen und machen die Ligen 1 - 5 komplett. Als um fünf Uhr an diesem kalten Januarmorgen dann der Wecker klingelte, klagte Annika über Unwohlsein. Nach eigener Diagnose hatte sie sich waehrend der Nacht die Soljanka vom Vortag durch den Kopf gehen lassen. Was lehrt uns das? 1. Scheint mit diesem Ereigniss die Eingliederung der Hallenserin in die westlichen Regionen der Bundesrepublik vollstaendig gelungen und abgeschlossen zu sein und 2. scheinen die Schreiber mancher Fanzines aus dem nordoestlichen Bereich eben dieser Republik wohl recht zu haben: Das ist für uns verweichlichte Wessihopper nix da druben. Also fix noch mal den Atlas rausgeholt, ach schau mal da unten diese riesen Insel unter Europa, da waren wir doch auch noch nicht - fahren wir halt da hin!

So oder so aehnlich muss es sich abgespielt haben an diesem 4. Januar. Und da wir als Übergang auf besagte Insel, im Atlas übrigens als "Afrika" verzeichnet, die Straße von Gibraltar auserwählt hatten ging es frohen Mutes Richtung Westen. Während Annika in einem medizinisch Interesantem Dämmerzustand Ihren kulinarischen Fauxpass vom Vortag ausschwitzte, lenkte ich so viele Kurven wie nötig waren um Deutschland bei Mulhouse für unbestimmte Zeit den Rücken zu kehren. Nicht ohne um 9.20h einen verstohlenen Blick durch den Rückspiegel auf die hinter uns stattfindende partielle Sonnenfinsterniss zu werfen. In Frankreich wurde alsbald von Autobahn auf Landstrasse gewechselt, um die gierigen Händen der Mauteintreiber zu umgehen. Bei der Strecke Nürnberg - Bilbao macht das dezente 3km Umweg...

Ach ja, wieso Nürnberg wäre vielleicht noch ganz interessant am Rande zu erwähnen. Abfahrt in Hamburg war am 01.01. gesetzt, musste nach durchgearbeiteter Silvesternacht mit anschließender Nachfeier dann allerdings aus körperlichen Gründen auf den Zweiten verschoben werden. Die 650 km bis in die Mittelfränkische Geburtsstadt wurden ereignislos heruntergespuhlt und da der dritte Tag des Jahres einzig im Zeichen der letzten zu treffenden Vorbereitungen stand, konnte das eigentlich noch nicht wirklich als Teil der Tour gezählt werden.

Da auf der Autofahrt ein zweistündiger Schlummerstop irgendwo in der französischen Peripherie schon den Höhepunkt des Tages darstellte, kann die Berichterstattung über Tag 1 eigentlich auch schon abgeschlossen werden. Einzig festzuhalten bleibt, dass ich mich mit dem Schreiben von Einleitungen in einen Text weiterhin schwer tue. Ich beteuere Besserung!

Tag 2
Mittwoch, 05.01.2011

Um ein Uhr nachts hatte man bei Angouleme ein Formula 1 Hotel gesichtet und so nach 1100km das Steuer aus der Hand gelegt. 29,60 Euro für zwei Personen klangen ganz fair und in Anbetracht der doch noch empfindlich kalten Außentemperaturen, sowie dem Gemütszustand Annikas wurde so die erste Nacht im Benz nach hinten verschoben.

9:30h erklärte man die Nacht für beendet, hatten wir uns doch noch einen kleinen Umweg (80km) nach Cognac auf die Route geschrieben. Wohl ne Berufskrankheit, aber an den Distillerien von Grey Goose, Hennessy und Remy Martin konnte man nicht einfach so vorbeifahren. Befand sich erstere in Umbauarbeiten, hatte zweitere Betriebsferien und letztere heute leider keine Führungen. Immerhin im Shop konnte man sich ein wenig umsehen, wo auch ein paar der insgesamt nur 786 hergestellten Flaschen des "Louis XIII Black Pearl" standen. Verkaufspreis 25.000 Euro. Na, das nenn ich doch mal Lagerverkauf. Hatte ich leider nicht passend dabei. Als Alternative könnte man sich übrigens auch 17 mal unseren "Chef" kaufen und hätte dann noch Geld über.

Louis XIII Black Pearl, Lagerverkauf: 25.000 Euro.

Ach ja, "Chef", das ist unser derzeitiges Fortbewegungsmittel, seines Zeichens ein 25 Jahre alter 230TE aus dem Hause Mercedes Benz. Den Namen hat er, weil er ihn zu recht hat. Es geht immer nur dann weiter, wenn auch er will. Aber wenn er will, wird er uns bis Gambia bringen. Die Details dazu findet man in der Einleitung bzw von manchen auch als "komplizierte Anleitung zum Verkauf eines Gebrauchtwagens in Westafrika" bezeichnet.

Da es aus preistechnischen Gründen nichts daraus wurde, sich die Fahrtauglichkeit zu versauen, saßen wir beiden Hübschen auch alsbald schon wieder im Vehikel um die letzten 550km bis Bilbao herunterzuspuhlen. Drei Stunden vor Spielbeginn am Stadion angekommen war zwei Stunden vor Spielbeginn klar, dass es wohl nichts werden wird hier mit kostenneutralem parken und bevor wir uns auf der Suche nach einer Alternative noch ein tagesbudget Gasolina verfahren, wurde letztenendes doch ein Parkhaus genutzt, was mit 6,60 Euro zu Buche schlagen sollte. Kaum ein Problem gelöst, stand man schon vorm nächsten. Das Barca die Leute anzieht wie Scheiße die Fliegen war klar und das Athletic immer ganz gute Zuschauerzahlen hat auch. Aber da sich der Spanier in der Regel so gut wie nicht für den Pokal des Königs interessiert, war man sich einer Eintrittsmöglichkeit so gut wie sicher. Aber leider gab es genauso wenige geöffnete Tickethäuschen wie Schwarzmarktverkäufer. Auch sich ein bisschen wichtig machen scheiterte zuletzt an Senior La Rea, seines Zeichens Cheffe vom Pressehaufen. Also musste heute tatsächlich mal wieder ein bisschen tiefer in die Trickkiste gegriffen werden, aber rein kommt man letztendlich ja doch irgendwie immer.

Mittwoch, 5. Januar 2011 - 22.00h
Athletic Club Bilbao - FC Barcelona 1:1 (0:0)
Copa del Rey, Achtelfinale
Estadio San Mamés, Bilbao (ESP) 40.000 Zs. (100) (ausverkauft)

Der Spanier hat es ja nicht so mit dem Überpünktlichen, so waren eine halbe Stunde vor Kickoff noch gut Plätze frei und da man ja keine zugewiesenen besaß, machten wir es uns halt erst einmal irgendwo gemütlich um mit gewissem Amusement dabei zuzusehen, wie sich die übrigen 40.000 Zuschauer um uns herum setzten. Obwohl zu Spielbeginn nicht eine freie Sitzschale mehr im Stadion zu sehen war, prodestierte zu keiner Zeit irgendjemand über die unrechtmäßige Belegung seiner Plätze. Ja, manches mal gehört halt einfach ein wenig Glück dazu.

Als Intro erstaunte dann eine Stadionweite Zettelchoreographie in den Vereinsfarben rot und weiß, dessen Erklärung sich dann auf der anderen Seite der Zettel in großen Lettern wiederfand. So bleiben eigentlich nur die Theorien, dass der aufgedruckte Sponsor die Choreo selbst insziniert hatte oder sich die Initiatoren diese vom Sponsoren hatten bezahlen lassen. Was von beiden jetzt trauriger ist, darf jeder für sich selbst entscheiden. Stimmungstechnisch war es sonst halt Spanien. Soll heißen: Kein organisierter Support, wenig bis keine einheitlichen Gesänge und wenn dann auch maximal drei verschiedene. Dank des überraschenden Hinspielergebnisses von 0:0 war aber gut Feuer und die Leute gingen ordentlich mit dem Spiel mit. Über Gäste aus Barcelona zu sprechen wäre eindeutig zu viel des Guten. Ich denke es lässt sich mit zwei Zahlen ganz gut beschreiben: Anzahl der derzeitigen zahlenden Mitglieder des FC Barcelona: 173.071. Anzahl der heute im Stadion anwesenden Barcelona-Fans: 100. Erkennbar an einer hinter ihnen hängenden Fanshop-Fahne der Ausmasse 80x120cm. Hätte Barcelona heute kein Tor geschossen, ich hätte die Anzahl der Gäste wohl gar nicht nennen können.
Aber sie taten es. Eine viertel Stunde vor Schluss ließen die Katalanen die Träume der Athletic-Fans von der Sensation platzen wie Seifenblasen. Durch die Auswärtstorregelung hätte Bilbao jetzt zwei Tore machen müssen. Als eines davon in der 85. Minute fiel, keimte doch wieder Hoffnung und es wurde noch einmal laut, reichte aber nicht mehr. So wirklich verdient war das Weiterkommen im Pokal nach der heute gezeigten Leistung von Barca aber nicht. Wäre das Barca-Tor nicht gefallen, hätte wahrscheinlich nicht bloß ich die Anwesenheit deren Fans nicht bemerkt und dem Betrachter der Szenen nach dem Spiel wäre die wohl sinnloseste Gästeblocksperre der Welt erstparrt geblieben...

Zurück in unserem Wohnen auf Zeit wurden noch 100km in Richtung Madrid abgespuhlt, bevor es sich an einem Autobahnrastplatz im Kofferraum gemütlich gemacht wurde. Vielleicht sei hierbei erwähnt, dass das nicht etwa aussah, wie zwei Leichen im Tatort, sondern es Dank der Tatsache, dass es sich bei dem T-Modell um einen Kombi handelt, gar bequem ist da hinten. Mit ein bisschen Umbaugeschick kommt man da auf eine durchgehende Liegefläche von 210x155 cm, das ist größer als so manches Doppelbett - nur eben ohne Zentralheizung und Fernwärme, was bei der Lage auf über 700m über dem Meeresspiegel doch zu merken war.

Tag 3
Donnerstag, 06.01.2011

Irgendwann wurde ich von Annika geweckt, die zu berichten wusste, dass die Uhr kurz nach elf zeigt. Da hatte sich der Handyakku während der Nacht wohl verabschiedet und so war die Weckfunktion für die Katz. In Anbetracht der noch ausstehenden 300km bis zum Spielort von Getafe vs. Betis Sevilla um 12 Uhr war die Sache klar wie Kloßbrühe. Da man aber eh schon mal vor Ort war, ist es eben ein Spiel weniger im Leben. Damit wird wohl klarzukommen sein, also rauf auf die Straße und direkt die knapp 600km nach Vila-Real geheizt. Da sich auf halber Strecke die Abdeckung des Vergasers verabschiedete und so ein unfreiwilliger Spaziergang zur Rekomplettierung aller Teile des Autos nötig war, wurde es auch hier fast noch mal knapp. Auch im kleinen Städtchen Vila-Real ist das Parkplatzproblem ein mittelschweres, nach mehrmaligen netten Nachfragen unter Verwendung des Dackelblickes durfte man aber doch in das riesige Areal der für VIPs vorgesehenen Parkplätze. Der Anzahl der Autos nach scheint es bei Villarreal allerdings nur sieben very importent Persons zu geben. Wie gut das jetzt wir da waren!


Donnerstag, 6. Januar 2011 - 18.00h
Villarreal C.F. - Valencia C.F. 4:2 (0:2)
Copa del Rey, Achtelfinale
Camp el Madrigal, Vila-Real (ESP) 20.000 Zs. (500)

Eigentlich habe ich so gut wie keine leeren Sitzplätze im Stadion gesehen und war davon ausgegangen, auch hier von einem vollen Haus berichten zu können. Die offizielle Zuschauerzahl von 20.000 erstaunte dann doch ein bisschen, müssten so ja noch 2.000 Plätze frei gewesen sein. Was das Stadion angeht ersparre ich mir bei Schauplätzen wie denen in Spanischen ersten Liga die Beschreibung, soweit nichts besonderes war. Im heutigen Zeitalter findet man mit wenigen Mausklicks ja mittlerweile mehr Bilder als man braucht.
Stattdessen ein paar Worte zur "Stimmung". Phasenweise konnte ich mir ein zu hörendes Geräusch, ähnlich dem Knistern eines Lagerfeuers, nicht erklären. Dann aber viel es mir wie die Schuppen von den Augen: Es war tatsächlich das Geräusch was sich ergibt, wenn 20.000 Menschen gleichzeitig Vogelkerne mit den Schneidezähnen knacken und sonst absolut keinen Mucks von sich geben. Da kann man noch so sehr auf die Landkarte starren, so etwas kann ich einfach nicht als "Derby" titulieren. Die Gaestezahl auch nur grob geschätzt, da es nicht etwa einen Gästeblock oder gar Fanblock gegeben hätte, sondern die Valenciaanhänger einfach wild verstreut und genauso stumm wie die Heimfans die selben Kerne aßen. Wenigstens war das Spiel ganz unterhaltsam, so führte Valencia zum Pausentee verdient mir 2:0. Nicht wirklich einer rechnete in dieser Phase damit, dass dem Viertelfinaleinzug der Gäste noch etwas im Wege stand. Umso mehr konnte Villarreal aber begeistern, als diese plötzlich wie ausgewechselt loslegten wie die Feuerwehr und in Halbzeit zwei Valencia mit 4:2 nach Hause schickten.


Da das letzte Tor erst in der dritten Nachspielminute fast zeitgleich mit Abpfiff fiel, blieben die Meisten noch im Stadion um ihr Team zu feiern (man hatte sich ja vorher gut genug ausgeruht), sodass wir gut rauskamen und ohne Stau und Umwege ins 63km entfernte Valencia zu düsen. Ein bisschen den wichtigen Mann gespielt durfte man auch kurz im abgesperrten Bereich vor dem Stadion parken um ein noch wichtigeres Dokument zu holen, dass beweisen würde, dass wir eben genau das dürften. Das Dokument gab es natürlich nicht, den Parkplatz dafür hatten wir jetzt ja aber, also ging es ohne weitere Umwege zu einem der wohl uninteressantesten Spiele, die ich verfolgt habe:

Donnertag, 6. Januar 2011 - 22.00h
Levante U.D. - Real Madrid C.F. 2:0 (0:0)
Copa del Rey, Achtelfinale
Estadio Ciudad de Valencia, Valencia (ESP) 12.387 Zs. (?)

Uninteressant, weil Real das Hinspiel mal dezent mit 8:0 für sich entschied, dementsprechend müsste Levante das Spiel mit neun Toren unterschied gewinnen. Wäre es geschehen, wäre ich wohl Zeuge einer der größten Sensationen der Spanischen Fußballgeschichte geworden. Es geschah aber nicht und so langweilte man sich mit 12385 Anderen beim Zusehen, wie eine C-Mannschaft von Real den Ball übers Feld schob. In Halbzeit zwei durfte man wenigstens noch zwei Tore, einmal durch Elfmeter, bestaunen. Stimmung erkläre ich mit einem Wort: Spanien.

Gäste als solche waren keine da (was soll auch anderes sein, wenn man unter ultras-sur.es heute nur noch eine Viagrawerbung findet), wieviele Realsympathisanten unter den anwesenden Zuschauern saßen vermag ich Dank fehlender Tore dieser leider nicht zu sagen.

Nach dem Spiel ab in die City, wo das anvisierte Hostel zwar über keine Kapazitäten mehr verfügte, ganz in der Nähe aber das Hospederia Pilar gefunden, was für 20 Euro pro Person ein frisch renoviertes Doppelzimmer mit Dusche und WC anzubieten hatte. Wenn es Nachts um eins noch 17 Grad hat, lässt es sich aushalten. Also noch ein Stündchen durch die mit seinen ganzen Barockbauten wirklich superschöne Stadt geschlendert, bevor mit Umweg am 24Stunden-Büdchen zwecks kleinem Mitternachtssnack wieder die Bleibe angesteuert wurde.

Tag 4
Freitag, 07.01.2011

Um elf Uhr küssten einen Sonne und 22 Grad wach. Beste Voraussetzungen für eine kleine Besichtigung der mit 750tsd Einwohnern drittgrößten Stadt des Landes. In der Kathedrale Miguelete wollte man zwar auf den Glockenturm klettern, was laut Lonely Planet für nur 1,50 Euro möglich sein soll. Die Realität sah anders aus und man wollte ernsthaft schon mal drei Euro dafür, dass man das Gotteshaus überhaupt betreten durfte. Statt einem der reichsten Unternehmen der Welt noch mehr Kohle in den Hals zu werfen wurde auf dem Absatz kehrt gemacht und stattdessen der örtlichen Wirtschaft mit dem Erwerb von zwei Speiseeis weitergeholfen.

Westlich des sehenswerten Nordbahnhofs findet man Valencias Chinatown und damit auch ein paar billige Internetcafes, die zwei Stunden zur weiteren Planung des da noch Kommenden genutzt wurden. Dann war es auch schon wieder so weit und Vila-Real sollte uns ein weiteres mal herzlich willkommen heißen. Auf dem Weg dorthin noch im Carefour den Schnapper des Tages gemacht und 500 Gramm feinsten Serano für 5,95 Euro abgestaubt. La Dolce Vita mit frischem Baquette und Wurst also auf der Reise zu:

Freitag, 7. Januar 2011
Villarreal C.F. B - Granada C.F. 2:1 (1:0)
2. Liga Spanien, 19. Spieltag
Ciudad Deportiva de Villarreal, Vila-Real (ESP) 1.000 Zs. (50)

Ein paar Seitenstraßen entfernt vom großen Camp el Madrigal findet man im Sportcomplex von Villarreal ein nettes kleines Stadion für die B-Mannschaft, die sinnfreier Weise in Liga 2 zuhause ist. Der 5000er verfügt über eine überdachte Haupttribüne, sowie drei kleinere Versionen ohne Dach auf der Gegenüberliegenden Seite und in den Hintertorbereichen. Überraschte die Zuschauerzahl von über 1000 Anwesenden schon, sorgte bei uns der 30 Kopf starke Gästemob aus dem knapp 500 km entfernten Granada fast schon für Furore. Außer mit ihrer Anwesenheit glänzten die Angereisten aber sonst mit nichts, verfolgten ähnlich schweigend das Geschehen auf dem Rasen wie der Rest ein Spiel, das die Hausherren bestimmten und der Anschlusstreffer für die Gäste in Minute 79 nur noch Ergebnissmakulatur war.

Der Tatsache nach, dass ich dem Herren in den letzten fünf Januar insgesamt vier mal irgendwo auf diesem Erdball über den Weg gelaufen war, war ich wenig überrascht, in der Halbzeitpause Rautenheinz zu begegnen. Dieser war mit Kollege Martin auf einer kleinen Stipvisite in Espana, hauptsächlich um morgen San Sebastian zu machen. Spätestens nach dem dritten Hinweis, dass es zu deren eigentlichem Plan, schon mal Richtung Norden zu fahren und im Auto zu pennen noch eine attraktive Alternative gibt, die da den gemeinsamen Verzehr alkoholischer Kaltgetränke in Valencia hieß, war klar, dass es im Konvoi zurück gehen sollte. Der Plan wurde anfänglich auch in zweierlei Kneipen der City angegangen, auf Grund der dortigen Bierpreise die in keinem Verhältniss zum Hotelangebot (die Dose ein Euro) stand, wurde die Umsetzung schlichtweg in die Bleibe verlegt und dort bis vier Uhr morgens zur Perfektion vollendet.

TAG 5
Samstag, 08.01.2011

Im Verwandten-, Bekannten und Kollegenkreis waren vor Abfahrt ja allerhand Bedenken zu unserem Vorhaben geäußert. Da waren unteranderem Sätze zu hören wie "Warum fährt man nach Afrika, da wirst du mit Sicherheit nur beklaut und ausgeraubt". Dieser Personenkreis sei hiermit beruhigt. Hierfür muss man nicht extra den Kontinent wechseln, Spanien reicht da voll und ganz! So kletterte ich an diesem Morgen um elf Uhr aus dem Bett, um eine Münze fürs Parken nachzuwerfen und schon stand ich vor dem Malheur. Ergebniss der Nacht: Ein eingeschlagenes Fenster mehr, dafür ein Autoradio weniger.
So wurden die ersten Stunden des Tages statt mit gemütlichem Frühstück in der Sonne damit verbracht, das hinterlassene Chaos im Auto zu bereinigen (man hatte in der Spekulation nach weiteren "Schätzen" wie meinem Radio der Marke "einmal billigstes Gerät bitte" das Ganze Innenleben der Kiste auseinander genommen und durchwühlt, aber scheinbar nichts gefunden, was sonst noch von Wert gewesen wäre), Scherben wegzukehren und das kaputte Fenster fachmännisch mit vom Paellastand nebenan besorgten Kartonagen und einer Rolle Panzertape zu verarzten. Dann war es auch schon so weit, um ins 150 km entfernte Elche (auch Elx geschrieben und "Else" gesprochen) aufzubrechen, schließlich wartete dort der Event des Jahres:

Samstag, 8. Januar 2011 - 16.00h
Elche C.F. - Torrellano 0:2 (0:2)
Juveniles Division de Honor (A-Jugend)
Ciudad Deportiva Diez Iborra, Elche (ESP) 200 Zs.

Eigentlich ist Jugendfußball ja nicht der Stoff, den ich mir reinziehe, aber da sonst nichts war, es so wunderbar vor das eigentlich zu besuchende Spiel passte und noch dazu der Austragungsort in der Fußballzeitung relativ interessant klang, schaute man halt mal vorbei. Die "Stadt des Sportes" macht ihren Namen auch alle Ehren, findet man hier gut ein Duzend Fußballplätze nebst zwei kleiner Stadien. Das Spiel der A-Jugend fand auf einem der Kunstrasenplätze statt und hatte mit einer kleinen, aufgestellten Sitzplatztribüne sogar so etwas wie Ausbau. Derartige Ansetzungen fallen im Hause Schammi ja durchaus in die Kategorie Delikatesse und so stand nach gestriger Benachrichtigung via SMS selbiger auch samt Anhang neben uns, mussten aber aufgrund von körperlichen Ausfällen im Lager der Hannoveraner (in diesem Fall durch 1 Mann vertreten) kurz vor Schluss los.

Samstag, 8. Januar 2011 - 18.00h
Elche C.F. - Celta de Vigo 0:2 (0:2)
2. Liga Spanien, 19. Spieltag
Estadio Martinez Valero, Elche (ESP) 7.512 Zs. (30)

H96 also samt Sehhilfe in Form von Schammis Bruder im örtlichem Krankenhaus, Schammi selbst und Rossi im Estadio. Man kann also von einem 50%-Verlust während eines Jugendspieles sprechen. Team Afrika hingegen komplett anwesend, also wenden wir uns den Interessanten Dingen des Lebens, machen es aber kurz: Stimmung = Spanien, allerdings besser als in den meisten Fällen der Liga 1, irgendwie halt doch noch ein bisschen lockerer und die Fankurven noch nicht komplett vom Modernen Fußball ausgeräuchert. Aus dem fernen Celta Vigo waren sogar auch zwei Handvoll da, die zumindest zunehmend mit den Erfolg ihrer Mannschaft immer öfter auf sich aufmerksam machten. Die Frage bleibt, warum man sich als Gästemob den Standort Haupttribüne Mitte aussucht. Da hat jemand wohl zu viel Geld?
Der Else ihr Stadion weiß zu gefallen, ne ordentlich große Nummer Kategorie "Schüssel" mit zwei Rängen, wobei obiger heute wie wohl sonst so gut wie immer leer bleibt. Eben doch ein bisschen überdemensioniert das ganze hier. Dem Aufstieg hier steht das Stadion also nicht im Wege, die Mannschaft dafür schon mehr, hätte man heute mit einem Sieg den Anschluss an die Spitzengruppe wahren können. Doch der Tabellenzweite aus dem fernen Nordwesten ließ keine Zweifel aufkommen, wer hier heute die drei Punkte mit nach Hause nimmt. Bis zur 82. Minuten führten die Gäste mit drei Toren unterschied, den Anschlusstreffer von den Elchen sahen nur noch gut die Hälfte der siebeneinhalb Tausend...
Während die Gruppe Nürnberg/Hannover sich auf den Weg zurück nach Alicante machte, um sich tags drauf u.a. in Murcia das Spitzenspiel Erster vs. Zweiter in Liga drei reinzuziehen, hatten wir uns Dritter vs. Vierter in Liga zwei ausgesucht. Dafür standen allerdings noch dezente 600km vor uns, die in den 16 Stunden zwischen den Spielen zu bewältigen waren. Zielort Jerez de la Frontera, bzw. besser gesagt die Tankstelle 50km vor den Stadttoren, war gegen 2.30h erreicht. Hier wurde das Wohnmobil das eigentlich keines ist schön idyllisch zwischen zwei Bäume gestellt und sich alsbald zur Ruhe gebettet.

Tag 6
Sonntag, 09.01.2011

Da in Nächten unter freien Himmel bzw. in freier Wildbahn der Schlafmodus nur auf Standby läuft, fuhren die geistigen Funktionen kurz hoch, als ein weiteres Auto auf den eigentlich nicht frequentierten da nicht wirklich als solcher erkennbaren Parkplatz neben der Tankstelle ranfuhr. Zwei, drei mal rübergelugt, wurde auch zwei, drei mal zurückgelugt und wahrscheinlich da sich der neue Nachbar genau so unsicher mit der Situation war wie unser eins, stand dieser alsbald vorm Fenster, bekam als Antwort aber gleich mal den LED-Punktstrahler ins Gesicht, was ihn alsbald wieder in sein Auto verschwinden ließ, wo auch er es sich gemütlich zu machen schien. Meinetwegen, leben und leben lassen. Als um 9.30h wieder aus der Schlafposition geklettert wurde, war Kollege auch noch da, stand alsbald neben mir und störte bei der morgendlichen Wäsche aus der PET-Flasche. Irgendwas von "Zivilpolizist" am labern wollte er irgendwas, ohne scheinbar selbst zu wissen, was es war. Mehr als ein müdes Lächeln gabs für den lausigen Auftritt aber nicht. Also alsbald den Vogel in der Staubwolke hinter dem Wagen stehen gelassen und sich der Tagesaufgaben gewidmet.

Tagesordnungpunkt eins schrieb ein Besuch beim örtlichen McDonalds vor, der allerdings nur zur Nutzung seiner Örtlichkeiten zum Zwecke der menschlichen Hygiene herhalten durfte. TOP 2 war da schon anspruchsvoller, sollte sich auf anhieb kein Internetcafe finden, was auch sonntags morgens geöffnet war. Also schnell beim Luxushotel der Stadt halt gemacht und mal fünf Minuten die emails gecheckt zwecks kostenneutralem Übernachtungsplatz in Gibraltar, alle drei Anfragen bei CS allerdings abgelehnt. Die ganze Hektik also um sonst, nichts wie auf zu:

Sonntag, 9. Januar 2011 - 12.00h
Xerez C.D. - Rayo Vallecano 0:1 (0:0)
2. Liga Spanien, 19. Spieltag
Estadio Municipal Chapin, Jerez de la Fronterra (ESP) 11.000 Zs. (27)

Das Stadion gut gefüllt zum Spitzenspiel, wenngleich natürlich noch gut Kapazitäten über waren, wird wahrscheinlich, wenn überhaupt nur gegen Malaga voll und die spielen derzeit ja in Liga 1. Ganz witzig bei diesem Leichtathletikstadion, welches gänzlich ohne Flutlichtmasten auskommt, die Tatsache einer kleinen Lücke im sonst geschlossenem Rund, die mit einer Ecke eines Hotels gefüllt wird. Stimmungstechnisch kommt man hier im Süden noch eher auf seine Kosten. Das Kollectivo Sur machte mit einem gut 150 Mann starken Mob ordentlichen Support über 90 Minuten und schafften es nicht selten, den Funken auch auf die restliche Kurve überspringen zu lassen. Erstaunlicher Weise waren sogar handgezählte 27 Mann aus Madrid angereist, die ihren Block sehr ansehnlich beflaggten, bis auf drei, vier mal Bewegung pro Spielhälfte war aber nicht zu sehen. Dafür durfte sich die Busladung über ein Last Minute Tor freuen, was den Gästen nach einem eher langweiligen Kick noch den wichtigen Dreier einbrachte.
Nach dem Spiel ist bekanntlich vor dem Spiel und so saßen wir auch alsbald wieder im Auto und ballerten die restlichen 130km an den Südzipfel Europas. Ziel war erst einmal Gibraltar, wo man nunmehr seit fünf Jahren noch eine Rechnung zu begleichen hatte. War zum damaligen Besuch das angedachte Spiel der ersten gibraltischen Liga ausgefallen, weil der Schiedsrichter nicht kam (kein Scherz!) und wurde auf Grund von Desinteresse das Vorspiel (Dritte, also letzte Liga) nur zu einer Halbzeit konsumiert, sollte heute der Ground nachgeholt werden. Leider ist die letzte Aktualisierung der Verbandsseite in etwa so lange her wie mein letzter Besuch im Victoria Stadium, also hoffte man halt einfach auf ein Spiel am Sonntag Nachmittag. Da alle Teams des Landes ihre Spiele in diesem Stadion austragen ja gar nicht sooo unwahrscheinlich.

Zur besten Anstosszeit um 15.30h stand man in der darunter liegenden Kneipe und hatte ein fieses Dejavu-Erlebniss, als der Kneipenwirt irgend was von "cancelled" fasselte. Tatsächlich wäre heute Abend wohl ein Spiel der ersten Liga angesetzt gewesen, dieses aber verlegt worden. Doch wusste ein anderer Kneipenbesucher rat. Um 18 Uhr würden dafür die Reservemannschaften aus Liga 2 gegen die Kugel treten. Na immerhin besser als nichts. Nach ausgedehnter Rundfahrt inkl. Europa-Point, der dortigen Moschee und der Innenstadt noch kurz ein bisschen überteuertes Fastfood einverleibt und ab zum Highlight des Jahrhunderts:


Sonntag, 9. Januar 2011 - 18.00h
Cannons FC Res. - Lynx FC Res. 2:3 (0:3)
2. Liga Gibraltar
Victoria Stadium, Gibraltar (GBZ) 13 Zs.

Hammer! Da war Elche A-Jugend ja noch Weltpokal dagegen. Allen voran die Herrschaften in hellblau, ihres Zeichens die Reserve von Cannons FC. Das sah aus wie eine Hobbymannschaft von Pizzabäckern. Drei der Spieler waren derart übergewichtig, hätte ich irgendwo eine Kamera gesehen, ich wäre mir sicher gewesen, dass die von RTL für die nächste Staffel von Germanys big Looser hergeschickt wurden, als Bootcamp sozusagen. Noch nicht mal die Mühe den Ball ordentlich aufzupumpen hatte man sich gemacht, so eierte dieser mehr durch die Gegend und kam im rollen keine fünf Meter weit. Was die 22 Mann mit dem Sportgerät dann anstellten war nur noch schwer als Fußballsport zu erkennen... Für Amusement war also gesorgt. Auch wenn es schwer fiel, sich nach der Halbzeitpause wieder aus dem Sportpub loszueisen um statt Leichester - Man City, Espanyol - Zaragossa und Real Madrid - Villarreal die zweite Halbzeit von den Weightwatchers zu gucken. Irgendwann war auch das geschafft, Ground gemacht und Gibraltar Liga 1-3 komplett.

Die eigentliche Idee, heute abend schon einmal die ersten Zeilen für die Berichterstattung zu tippen, wurde bei den Schnäppchenpreis von 6 Euro die Stunde Internet schnell ad acta gelegt. Statt dessen wollte man eigentlich nur mal schnell die Ansetzung für Dienstag überprüfen und schon hatten wir den Salat. War das im Oktober auf Grund von Ausschreitungen geplatzte Spiel zwischen Chabab Rif Hoceima und Wydad Casablanca in Marokkos Liga 1 auf Dienstag, 11.1. und nach Tanger verlegt worden, so wurde es jetzt gleich noch einmal verlegt und soll nun erst am Mittwoch den 19. über die Bühne gehen. Allgemein pausiert die Marokkanische Liga dieses Jahr leider bis Ende Januar, so dass man sich auf das Nachholspiel durchaus gefreut hatte. So wird das jetzt wohl eine fussballtechnisch eher trockene Angelegenheit dort. Zumindest fand sich noch die Ansetzung des Zweitligisten Ittihad Tanger, die, warum auch immer, jetzt erst montags, somit also am morgigen Tag gegen Ittihad Khemisset spielen sollen, ob dass denn aber seine Richtigkeit hat, bleibt abzuwarten, wir werden es vor Ort überprüfen.
Afrika wirft also seine Schatten voraus, aus Ordnung und Tüchtigkeit wird Chaos und die Tugend der Geduld. Für die letzte Nacht auf Europäischen Boden stellten wir Chef an einer Klippe ab und mit einer Literbombe San Miguel in der Hand schauten wir hinüber auf unsere Challenge Afrika. Wie es dort drüben dann weitergeht, lest ihr beim nächsten mal. Bis dahin...
beste Grüße aus Asilah

3 Comments:

Anonymous Babs said...

Schön geschrieben!
Weiter so, weiterhin gute Fahrt und dem Chef ein großes Durchhaltevermögen :)

12/1/11 11:31  
Anonymous Anonym said...

liest sich gut und streichle den chef ab und zu mal, das hält ihn bei Laune

13/1/11 21:34  
Anonymous Kölner said...

viva espana, guter fußball, gute grounds, keine stimmung....keine hopperaufläufe ;-)

18/1/11 19:39  

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