12. Februar 2011

Der Polizist im Damenmantel

Tag 21
Montag, 24.01.2011

Wir hatten es also bis nach Senegal geschafft und mit der erfolgreichen Einreise trotz unseres alten Wagens ein grosses Problem geloest. Ein weiteres geloestes Problem war allerdings auch, was man im Falle Mauretanien wohl absolute Prohibition nennt. So durfte die geschundene Kehle nach getaner Arbeit wieder mit dem kuehlen Blond belohnt werden. Dieses gab es in der Zebra-Bar in 0,66-Liter-Gebinden von der Brauerei Gazelle und wusste durchaus zu gefallen. Die Gazellen duerfen somit auch also Hauptgrund angefuehrt werden, warum man bei netten Gespraechen mit dem einzigen Tommy, der was auf dem Kasten hatte und ein paar anderen Reisenden in der schwuelwarmen Jungelnacht verbrachte, bis die Zwiebel vier Uhr morgens zeigte. Nichts desto trotz musste die Nachtruhe bereits um neun wieder beendet werden, war vom zweitages Passavante ja bereits Tag zwei angebrochen und wir damit besser beraten, das geheiligte Land Senegal umgehend wieder zu verlassen. Immerhin ein Teil unserer Inselfreunde hatte es begriffen, um was es bei den 48 Stunden Aufenthaltsgenemigung geht und machte sich ebenfalls daran, die Karren flott zu machen. Zur Nervenschonung liessen wir aber den Konvoi ziehen und machten uns, nun endlich wieder in trauter Zweisamkeit, alleine auf die Piste. Diese wusste auf den ersten 50km mit allerhand Wellblechvertiefungen, Schlagloechern bis Schlaggraeben und sonstigem Fahrspass zu ueberzeugen, so dass keine zwanzig Minuten nach Abfahrt der erste Zwangsstop von noeten war um den abgefallenen Auspuffendtopf wieder anzubringen, ganz fachmaennisch mit Kabelbinder. Mit der Materie hat man als langjaehriger Fussballfan ja durchaus Erfahrung.

Kaum auf der Hauptverbindungsstrasse in Richtung Dakar waren die Strassenbedinungen auch wieder top und es ging relativ zuegig voran. Die auf einer Halbinsel (wie irgendwie fast jede grosse Stadt an Afrikas Westkueste, vgl. bisher Dakhla und Nouadhibou) gelegene Hauptstadt wurde aber garnicht angefahren, ging es bei Thies schon ins Landesinnere bis Diourbel. Das Highlight auf dieser verkehrstechnisch gut ausgelasteten Strecke war dann wohl ein mitten auf der Strasse umgekippter Bus. Wer jetzt denkt, Strasse blockiert = Totalsperre, der war noch nicht in Afrika. Vielmehr kaempft sich der Verkehr dann eben einfach quer durch den Busch an der blockierten Stelle vorbei. Duerfte aus der Vogelperspektive so ein bisschen aussehen wie ein blockierter Fluss, dessen fliessend Wasser sich dann eben einfach einen anderen Weg sucht. Von Diourbel aus geht es dann via Kaolak weiter bis zum Grenzuebergang bei Karang. Gerade der letzte Teil der mit einzelnen Teerflecken markierten Piste ist phasenweise in derart katastrophalem Zustand, dass selbst die ausgefahrenen Sandpisten entlang des Streckenverlaufs besser zu fahren sind.

Kaum in Sichtweite des im Dorf Karang selbst gelegenen Grenzpostens, haengt ein ganzes Rudel HMFs und Freunde an den Kotfluegeln, jeder will mal ans Fenster klopfen, jeder weis was und jeder hat was anzubieten. Nuesse, Bananen, Geldwechseln, selbsternannte Hilfssherrifs die deinen Pass wollen, betelnde Kinder... Alles was man an einer Grenze eben so auffahren kann. Da heisst es beim aussteigen cool bleiben, immer nett laecheln und winken... Wer gerade die letzten zwei Punkte in Perfektion und ohne jeglichen Selbstzweifel insziniert, der sorgt zwar kaum fuer mehr Ruhe, aber immerhin fuer unterhaltsamme Verwirrung bei den Bittstellern. Im krassen Gegenteil war dann die Ausreise aus dem Senegal, die derart problemlos und schnell von Statten ging, dass ich tatsaechlich noch mal auf den Ausreisestempel gucken musste, um mir selbst zu Versichern, gerade aus Senegal und nicht aus der Schweiz ausgereist zu sein. Zehn Euro waren fuer den Zoll zur Ausfuhr des Autos faellig, was auch in Ordnung ging, mehr wurde auch gar nicht gefordert.

Die Einreise nach Gambia ergab dann einen kleinen Disput zwischen mir und zweier recht heissbluetigen Beamten, da ich gerne irgendwo einen Nachweis gesehen haette, dass das Passavante (Die Genehmigung zum temporaeren Einfuhr eines Wagens nach Gambia) tatsaechlich und original 300 Dalasi kostet. Bei umgerechnet acht Euro (Kurs: 1 Euro = 370 Dalasi) duerfte das aber wohl in Ordnung gehen. Weniger in Ordnung ging die Vorderung vom Beamten im naechsten Haeuschen, der gerne 200 D. fuer den Einreisestempel gesehen haette. Die Frage des Stempelmaennchens, wer mir das gesagt haette, nachdem ich ihm den Standpunkt der Dinge erklaert hatte, bestaetigte mich sogleich. Also irgendwas von meinem fuenften Besuch im Land gefasselt und das mein Kumpel hier bei den Bullen ein grosses Tier ist und schon durfte man ohne Schmiere zur naechsten Station, die da "Drogenkontrolle" hiess. Zwei Stunden lang wurde jede Ecke in Auto und Gepaeck kontrolliert, bis man endlich weiter durfte. Mich wuerde ja mal die Trefferquote interessieren. Kann mir nicht so recht vorstellen, dass es ein lukratives Business ist, Drogen aus Deutschland auf dem Landweg ueber sechs Grenzen dahin zu schmuggeln, wo sie herkommen. Der wahre Grund ist dann vielleicht in einem ausgekluegeltem Wirschaftszweig der Grenzbeamten zu suchen. So war es fast schon dunkel, als unser eins als garantiert drogenfrei passieren durfte. Nicht nur, dass es relativ unbequem ist, durch ein unbekanntes Land in Afrika in Dunkelheit reisen zu muessen (O-Ton Auswaertiges Amt: Nachtfahrten sind unbedingt zu vermeiden), so ist auch noch die Huerde zwischen Barra und Banjul zu meistern, die da Gambia-River heisst. Die Ueberquerung dessen ist naemlich nur mit einer Faehre zu erreichen, die um 22 Uhr ihren Betrieb einstellt. So bot sich alsbald ein uniformierter Spezi der Drogenverhander an, uns nach Barra zu begleiten und uns an der langen Schlange vorm Faehrterminal vorbei in den Hafen und somit auf die letzte Faehre des Tages zu schleussen. Nach telefonischer Ruecksprache mit meinem auf der suedseite des Flusses auf unser wartenden Kumpel Kara war das wohl tatsaechlich die einzige Moeglichkeit, heute Nacht nicht irgendwo in einer Autoschlange am Faehrhafen zu versauern. Also widerwillig den Typen mitgenommen, der nebst helfen vorallem mit einer Sache in perfektion konnte: Nerven! Wenigsten fand man mit ihm auf anhieb die Verkaufsstelle fuer die Faehrtickets, die ganz nach afrikanischer Logik zehn Kilometer vom Hafen selbst weg liegt. Das man als Auslaender das Ticket nur in CFA bezahlen kann, obwohl man ja in einem Land ist in dem der Dalasi die Waehrung ist, duerfte als weiterer interessanter Weg gelten, Kohle zu machen. Gut, dass man davon im Vorfeld gelesen hatte und so noch die noetigen 4.800 CFA (zur Erinnerung: 1 Euro = 650 CFA) einstecken hatte. Am Hafen dann wieder ganz viel HMF und unser Helferlein mittendrin am Diskutieren. Letzten Endes musste man 400 D. Schmiere an die Hafenmitabreiter abdruecken und drin war man im Hafengelaende, vorbei an einer Kilometerlangen Autoschlange. Fuer die "Hilfe" bekam die Nervensaege in Uniform Annikas Winterjacke geschenkt, die ja eh zum ausrangieren gedacht war; insofern kein groesserer Verlust. Dass der Kollege bloed genug war um sich nicht doof dabei vorzukommen, sich bei gut 25 Grad in eine viel zu kleine Damenwinterjacke zu zwaengen, hatte mich kaum gewundert. Als er mich fragte welche Seite nun innen und welche aussen waere, war schon n Topzuschlag. Als ich ihm aber zeigte, wie rum es gehoert, ging eine Lautstarke Protestwelle von ihm aus, dass ich keine Ahnung haette, wuerde man so ja gar nicht das Ettiket sehen koennen. Das toppte natuerlich alles. Wenn ihr also mal in Gambia seit und nen Bullen im Inlett einer engen Damenwinterjacke herumlaufen seht - richtet ihm mal schoene Gruesse aus.

Wie viele Saetze habe ich im bisherigen Bericht eigentlich schon mit "Wer jetzt denkt..." und "Eigentlich muesste man meinen..." begonnen? Naja hilft ja nix: Eigentlich muesste man meinen, jetzt sei alles geritzt und die Kollegen Kara, Maxe und Annika liegen sich alsbald am Faehrhafen in den Armen... Tja, Welcome to Afrika. Hatte man sich bei der Anzahl der Autos dann doch ein wenig verrechnet und es passte letzten Endes doch fuenf Autos weniger auf die Faehre als man dachte. Als drittletzter in der Reihe natuerlich doof. Wenigstens war man jetzt im gut gesicherten und ruhigem inneren Hafengelaende. So wurde das Schicksaal zusammen mit einer Autobesatzung Hollaendern und ein paar Flaeschchen JulBrew-Bier ertragen, bevor der Fahrersitz fuer eine weitere, in diesem Fall unfreiwillige Nacht im Auto umgelegt wurde.

Tag 22
Dienstag, 25.01.2011

Punkt 6.30h wurde man durch Klopfen an der Fensterscheibe geweckt. Wie jetzt? Afrika und Puenktlichkeit? Wie ist das denn vereinbar? Und tatsaechlich. Wie versprochen stand man mit Chef eingepfercht zwischen allem was via Faehre bewegt werden kann - und das ist so einiges. Menschen, Tiere, Waren, Auto... Da ist kein Quadratzentimeter ungenutzt. Nach einstuendiger Ueberfahrt war man dann auch endlich am Nordende der mit 60.000 Einwohnern fast putzig erscheinenden Hauptstadt Banjuls, die via Umgehungsloecherpiste aber umfahren wurde. Per asphaltierter Strasse ging es dann via Serrekunda, Gambias groesster Stadt nach Birkama, dem Wohnort meines aus Hamburger Tagen bekannten gambischen Bruders Kara. Wir hatten extra nicht vorher angerufen, erschien es uns bei Ankunft in Banjul doch noch ein bisschen frueh. Wer weis schon wie lange der Durchschnittsgambe schlaeft. In Birkama angekommen dann mal fernmuendlich den Kollegen ueber unser Eintreffen informiert, wusste dieser zu berichten, dass er samt Empfangskomitee am Banjuler Faehrhafen steht. Tja, wie mans macht ists falsch. Die halbe Stunde bis auch unsere Gastgeber wieder im Heimatort waren, wurde im Motorraum verbracht, machte unser Chef kurz vor dem Ziel doch das erste mal ernsthafte Probleme und wollte sich nicht mehr in die richtigen Gaenge schalten lassen. Immerhin konnte festgestellt werden, dass es Gott sei Dank nicht am Automatikgetriebe selbst liegt, sondern lediglich eine Zulaufleitung des Getriebeoels gerissen war. So ging es die letzten Meter also im ersten Gang.

Weltklasse Aktion ueberigens waehrend der Wartezeit. Da man gerade neben der oertlichen Polizeistation stand, wurde dort nach moeglicher Abhilfe fuer die volle Blase gesucht. Die Polizeibeamten durchaus hilfsbereit, aber erstmal ratlos, wo der Weisse denn sein Geschaeft verrichten koennte. Loesung war dann die Knasttoilette. So wurde das wie in schlechten Filmen direkt in der Rueckwand eingelassene Gitter, an dem die Eingesperrten dastanden und traurig dreinguckten, aufgesperrt um mir kurz Zugang zum Gemeinschaftsoertchen zu gewaehren. Schnell das Noetigste erledigt, den Knastbruedern Hallo gesagt und wieder raus an die Sonne. Zaehlt sowas eigentlich auch schon als Knastlaenderpunkt?

Wer auf den ordentlichen Knastlaenderpunkt aus ist, hat es in Gambia allerdings nicht all zu schwer, gibt es hier allerhand Gesetze zu beachten, die nicht nur bestens durch die an jeder Ecke vertretenden Polizisten kontrolliert werden, sondern die man so auch erst einmal alle kennen muss. So war man keine 20km unterwegs an diesem Tag, als man am Polizeicheckpoint raus gewunken wurde. Hier haette man dann gerne 1.500 D. gesehen, weil man ja gerade eine rauche. Oehm ja, darf man das in seinem eigenen Auto wohl nicht? Ja, doch, man darf, aber nicht am Polizeicheckpoint. Die Strafe und die hoehe dieser ist, wie spaeter nachgeblaettert, tatsaechlich vom Gesetz her so vorgesehen, konnte aber nach ein bisschen Gelabber umgangen werden. Glueck hierbei war wohl die Tatsache, dass die Schwester vom Beamten in Hamburg wohnt und so schnell ein gemeinsamer Nenner im Gespraech gefunden war. Nebst solcher Eigenheiten ist das Rauchen auf oeffentlicher Strasse verboten und es herrscht strengste Gurtpflicht, eine Promillegrenze fuer das fahren eines Kraftfahrzeugs gibt es allerdings ebensowenig, wie es noetig ist, nachts ueber eine Beleuchtung am Fahrzeug zu verfuegen. Was ein Land...

Nach 8181 gefahrenen Kilometern und vor allem wegen der letzten Nacht am Faehrhafen war nicht mehr allzu grosses Interesse an groesseren Unternehmungen. So wurde es sich vielmehr im Garten von Kara und seiner Familie, die zahlen- und zuordnungsmaessig nicht wirklich zu durchschauen ist, bewohnten Residenz gemuetlich gemacht. Zwischen den von Mama Nema kredenzten koestlichen Speisen wurde vor allem Schlaf nachgeholt und endlich mal ordentlich relaxt. War nach dem letzten Tagen auch allerhoechste Eisenbahn. Unser temporaeres Heim ist die Butze von Karas Bruder, die mit auf dem Gelaende steht. dieser verweilt der Arbeit wegen diesen Winter in der kalten Schweiz, beste Gruesse und Dank unbekannter Weise also nach dorthin. Hier durften wir auch das erste mal seit langem wieder ein Televisionsgeraet unser eigen nennen, so dass der Abend bei nem kuehlen Bierchen und einer Reportage ueber BVB-Fans auf "Dubai-Sport" ausklang.

Tag 23
Mittwoch, 26.01.2011

Ich nehm es mal vorweg: Die naechsten Tage wuerden wenig berichtenswertes zu bieten haben, steht der Autoverkauf doch erst einmal im Mittelpunkt. In einem Land, in dem schon die einfachsten Besorgungen in stundenlange Odyseen ausaten, braucht so etwas eine Menge Zeit und vor allem Geduld, wie wir in den naechsten Tagen schmerzlich erfahren sollten. Bevor dahingehend ueberhaupt irgendetwas angegangen werden konnte, musste der Wagen erst einmal wieder zum laufen gebracht werden. Hierfuer wurde der Mechaniker um die Ecke bemueht, der hier einen staubigen Sandplatz und fuenf umherliegende Werkzeuge liebevoll "Werkstatt" nennt. Wer hier was reparieren lassen moechte, dem sei ans Herz gelegt, einen Wagenheber mit zu bringen, da der Kollege nicht ueber einen eigenen verfuegt (ganz zu schweigen von solcherlei Bloedsinn wie "Hebebuehne"). Wie schon erwartet, lag das Problem tatsaechlich an der Zulaufleitung fuer das Getriebeoel. Diese hatte ich in Deutschland schon fuer 20 Euro provisorisch mit einem Schlauch ueberbruecken lassen. Provisorisch, da eine neue Metallleitung mit kompliziertem Einbau ein Vermoegen gekostet haette. Hier in Birkama bastelten teils bis zu 7 Leute gleichzeitig an den Innereien vom Chef und flugs war auch eine neue Metallleitung angeschweist. Kostenpunkt (jetzt bitte festhalten): nicht ganz sieben Euro!

Der halbe Tag damit also schon wieder vorbei und da nicht mehr genuegend Zeit war fuer die noch benoetigten Behoerdengaenge in Banjul ging es statt dessen raus in Richtung Bakau, was in der naehe des Touristisch erschlossenen Kuestenstreifens "Senegambia" liegt. Hier wurden noch einmal 350 Dalasi investiert, um den Chef vom tonnenweise in jeder Ecke angesammelten Wuestensand befreien zu lassen. Ist ja durchaus nicht so verkaufsfoerdernd, wenn die Lackfarbe nicht mehr zu erkennen ist.

Noch ein kleines Beispiel fuer oben genannte These, was Zeit und Geduld in Afrika angeht gefaellig? Dann versucht doch mal in Birkama, immerhin der zweitgroessten Stadt des Landes, eure emails zu checken. Dazu braucht es natuerlich erst einmal Strom und den gibt es hier nur phasenweise. Als dann endlich wieder Saft da war, ging im Inet-Cafe 1 das Inet nicht (was aber keinen dazu veranlasste, das Ding dann halt einfach zu schliessen, da es ja so keinen Zweck erfuellt...), Nummer 2 hatte geschlossen, bei Nummer drei war man dann insoweit erfolgreich, als das sich nach jeweils 5-7 Minuten Wartezeit eine Webseite nach der anderen aufbaute. So bekommt man auch seine Tage rum.

Letzter Tagesordnungspunkt war dann noch ein kurzer Abstecher bei weiteren Familienangehoerigen Karas, die alle mal die weissen Gaeste bestaunen wollten. Nett sind sie ja alle, wenngleich ich mir bei der Masse an Kindern kaum mehr vorstellen kann, wie da jemand weis, welches Balg zu welchem Elternteil gehoert.

Tag 24
Donnerstag, 27.01.2011

Wenn dir ein Afrikaner sagt, dass um acht Uhr Abfahrt ist, dann reicht es vollkommend, wenn du dir um neun den Wecker stellst... Um 9.30h ging es dann los in Richtung Banjul. Zum einen ist es einzig in der Hauptstadt und im Touristenstreifen "Senegambia" moeglich, via Geldautomat und VISA-Card an Finanzmittel zu kommen. Zum anderen lief heute auch schon das auf drei Tage beschraenkte Passavante, also die Aufenthaltsgenehmigung fuer unser Auto aus. In der dritten Behoerde war man dann auch endlich richtig und fuer 150 Dalasi bekam man eine Verlaengerung bis zum 8.2.. Wenn man schon gerade im Verwaltungsdistrikt ist, dann kann man ja gleich an paar weitere Organisatorische Dinge regeln. So wurde noch die Botschaft Guineas angesteuert, die sich dann aber nicht mehr wie bis vor kurzem noch in Banjul selbst fand, sondern jetzt in einem nicht naeher gekennzeichnet Buero in einem noch weniger gekennzeichneten Plattenbau in Serekunda ihre Stempel verteilt. Auf Grund des angedachten Besuchs von Sierra Leone und eventuell Liberia, gepaart mit der Grenzschliessungen zur Elfenbeinkueste, wuerde eine zweifache Durchquerung Guineas noetig sein. Das dreimonatige Multi-Entry-Visum schlaegt dann auch mit dezenten 3.500 Dalasi, also fast 100 Euro, pro Person zu Buche. Wer nur einmal einreisen moechte, der kommt mit 2.000 Dalasi davon, hat dafuer aber auch nur einen Monat Zeit fuer seine Reise. Ein Haufen Asche also, dafuer war es aber die wohl einfachste Visumbeschaffung meines Lebens. Nahezu familiaer ging es in dem 10 Quadratmeter grossem Buero zu. Der Botschafter und sein Gehilfe duerfte dann wohl auch den kompletten Corp Diplomatique Guineas in Gambia darstellen. Unter Anleitung des Konsuls persoenlich wurde das Formular mehr als halbherzig (z.B.: Adresse in Guinea = Hotel) ausgefuellt und zehn Minuten spaeter hatte man einen Sticker mehr im Passport kleben. Das war ja einfach! Fuer die 200 gezahlten Euro bekam man dann sogar noch eine kleine Touristenbroschuerre in die Hand gedrueckt. Weltklasse dabei, dass man auf die wahrheitsgemaesse Verneinung der Frage, ob man franzoesisch verstehen wuerde, diese komplett auf franzoesisch verfasst ist. Gibt wohl keine in einer anderen Sprache, nur ist mir der Sinn der Frage dann nicht ganz klar geworden.

Der restliche Tag wurde damit zugebracht, die oertlichen Autoschieber ueber ein zu verkauf stehendes Vehikel zu informieren. Bei einem Startpreis von 120.000 Dalasi und einem Endpreis von 100.000 Dalasi zeigte man sich durchweg interessiert, die Geldscheine zueckte aber noch keiner. Vielmehr wurden fleissig Nummern ausgetauscht und Rueckrufe versprochen. Zurueck in Birkama dann glatt den ersten Interessenten getroffen, der das Ding auch tatsaechlich kaufen wollte. Leider lag seine Preisvorstellung von 60.000 Dalasi selbst unter dem Preis, den ich in Deutschland einst selber fuer die Kiste bezahlt hatte. Abwarten hiess also die Devise, wenngleich der heutige Tag in Sachen Autoverkauf und Interessenten durchaus positiv stimmte. Leider ein truegerisches Bild, wie sich in den naechsten Tagen noch abzeichnen sollte. So weit in der Materie der afrikanischen Kultur war man an diesem Tag allerdings noch nicht, so dass der Abend gemuetlich und frohen Mutes bei ein paar Bierchen ausklang.

Tag 25

Freitag, 28.01.2011

Um 9.30 Uhr hatte man soweit ausgeschlafen, um den Tag ganz gemuetlich bei Kaffee zu beginnen und sich erst einmal den Reisebuechern zu widmen. Die detalierte Grundplanung der Reise endete ja mehr oder minder mit Gambia, wo zwecks Autoverkauf ein laengerer Stopp eingeplant war. In Afrika ist es sinnlos, weite Zeit voraus zu planen, aendern sich hier doch die Verhaeltnisse in allen Bereichen teils mit Tageswechsel. Der Plan, wie es von hieraus weitergehen sollte, sobald alles erledigt ist, sollte also so langsam Formen annehmen. Das ganze in Verbindung mit Fussballspielen zu bringen ist hierzugegend aber nahezu unmoeglich, findet man so gut wie keine Informationen, zu welchen Zeiten in welchen Laendern Fussball gespielt wird, von Ansetzungen mal ganz abgesehen. Da muss man sich als Kicker-Matchkalender verwoehnter Neuzeithopper doch erst einmal daran gewoehnen. Um vielleicht doch ein paar neue Informationen zu finden, sollte nun eigentlich ein weiterer Versuch in Sachen Internetcafe gestartet werden. Soweit kam es aber gleich garnicht, wurde man alsgleich auch schon wieder von der Afrika eingeholt und in die Schranken verwiesen. Im muslimisch gepraegten Gambia stand naemlich das traditionelle Freitagsgebet an und damit auch ja keiner schwaenzt und derweil was anderes macht, wird einfach mal fuer eine gute Stunde die Durchfahrtsstrasse der Stadt gesperrt und der Verkehr damit zum erliegen gebracht. Immerhin hatte man zwei Tage zuvor schon am Stadion von Birkama zur aktuellen Lage aus fussballerischer Sicht erkundigt und leider wenig erfreuliches mitgeteilt bekommen, so pausiert die Fussballliga des Landes wohl noch bis mindestens Mitte Februar. Warum auch immer man in einem Land eine Winterpause braucht, in dem es mit 30 Grad Tagestemperatur in den Wintermonaten ja eigentlich noch am angenehmsten ist, wusste auch keiner. Immerhin wusste man aber von einem Testspiel, also besser als nichts.

Freitag, 28. Januar 2011 - 17.00h
Birkama United - Farato FC   1:0 (0:0)
Freundschaftsspiel   150 Zs.
Boxbar Stadium, Birkama (GAM), LP 67


Schon madig, nen Laenderpunkt mit nem Testspiel zu machen. Trotz allem war es ein 90 Minuetiges, ordentliches Fussballspiel in einem Erstligaground. Und fuer ein Spiel in Liga oder Pokal ist ja schliesslich noch genuegend Zeit hier in Gambia. Also widmen wir uns der Rahmenbedinungen. Birkama United spielt eigentlich in Liga eins, der Sportclub aus Farato eine Division darunter. Das Boxbarstadion ist das erste und bisher einzige Stadion mit Kunstrasen in Gambia und verfuegt ueber zwei sehr einfach gehaltene, kleine Betontribuenen auf einer der Laengsseite, dessen loechriges Wellblechdach die Zuschauer vor Regen, hier zu Gegend aber allen voran vor der Sonne schuetzt. Die anderen drei Seiten des Grounds sind nicht weiter ausgebaut. Damit auch keiner auf den Kunstrasenteppich latscht, der nichts darauf verloren hat, ist das komplette Spielfeld mit Maschendraht eingezaeunt. Wo es nur ab und an Strom gibt, da gibt eine Flutlichtanlage natuerlich keinen Sinn. So sind Abendspiele hier nicht moeglich. Das Spiel verfolgten dann 150 groesstenteils gelangweilte Jugendliche zumindest in den kurzen Phasen, in denen sie nicht damit beschaeftigt waren, den weissen Spielbesuchern einhergehend zu mustern. Das Spiel war qualitativ auf einem Niveau wie man es auch erwartet, wenn man in einem Land wie Gambia Fussball schaut. Der Klassenunterschied war nicht wirklich zu merken und so markierte ein Glueckstreffer den Sieg des Hausherren.

Zu Hause wartete auch schon das naechste Mahl auf den Hungrigen heimkehrer. Gleich zwei mal am Tag wird hier gekocht. Wer haette gedacht, dass man gerade in Afrika Gefahr laeuft, doch noch rund und dick zu werden. Um sich fuer die erbrachte Leistung aus der Kueche erkenntlich zu zeigen, hatte man heute auch mal siebzig Euro investiert, um gleich einen ganzen Stock an Grundnarungsmittel fuer die Family und ihren Gaesten zur Verfuegung zu stellen. Mit dem zwanzig Kilo Sack Reis hatte man es dann wohl doch ein wenig uebertrieben, so dass die Saettigungsbeilage fuer die kommenden Tage eher weniger Abwechslungsreich ausfiel. Da sonst nicht mehr viel passierte an diesem Freitag und man auch keinen grossen Elan fuer Party fand, schliesse ich die Tagesberichterstattung mal mit einer kleinen Randinfo ueber Gambia: So wurden der Verkehrssicherheit zu liebe einige neue Gesetze verabschiedet, wie zum Beispiel die Anschnallpflicht. Fuer eine Promillegrenze hat es bisher aber noch nicht gereicht. Warum sollte man auch nicht mehr Autofahren, wenn man voll wie ein Eimer ist. Kann doch nichts passieren, wo doch jetzt alle angeschnallt sind. Afrikanische Logik allez.

Tag 26
Samastag, 29.01.2011

Rund um Gambia herum liegt Senegal und in diesem Senegal wird an diesem Wochenende fleissig gegen den Ball getreten. Doof nur, dass man noch immer im Besitz eines Autos war, was eine Wiedereinreise in den Senegal erst einmal zu nichte machte. Der Chef macht seinen Namen alle Ehre und so galt es, aus der Gefangenschaft im Fussballfreien Gambia das beste zu machen. Mit dem Alternativprogramm "Den ganzen Tag am Strand rumgammeln" gelang das auch praechtig und war ne ganz prima Methode, einen 2:0-Glubbsieg gegen den HSV zu verbringen. Ausserdem war ja auch wirklich mal allerhoechste eisenbahn, ein bisschen plantschen zu gehen. Bei Tagestemperaturen ueber 30 Grad und dem nur 20 Autominuten entfernten und fast touristenfreien, da ein ganzes Stueck vom Senegambia-Strip entfernten Strand westlich von Birkama hatte man das bisher ja straeflich vernachlaessigt. Statt erhoftem Anruf von einem der vielen "Interessenten" gab es allerdings nur Meeresrauschen und irgendwann einen Kara, der total unerwartet mit nem Kumpel um die Ecke bog, um uns den zu Hause verpassten Mittagstisch direkt an den Strand zu liefern. Wer zum Kuckuck braucht schon All-inklusiv-Hotels...

Karras Neffe Paboy, der uns zum Strand begleitet hatte, gab noch aufschlussreichen Unterricht in Sachen Ueberlebenstraining am Afrikanischen Strand. Jetzt wissen wir auch, wie man am erfolgreichsten Krebse faengt und wie man rausfindet, welche man noch futtern kann und welche besser nicht mehr. Zu Hause lockte der TV mit der Uebertragung von gleich zwei Finals (Australian Open der Damen und Asia-Cup mit Japan vs Australien), was der Dorfdisse vorgezogen wurde. Der hoffentlich einzige Wochenbericht, dessen Samstag auf Grund Ermangelungs an Spielen so kurz ausfaellt.

Tag 27
Sonntag, 30.01.2011

Neun Uhr hiess es heute aufstehen, hatte man doch Sonntagliche Termine. Nein, nicht gambianische Bezirksoberliga, vielmehr ruft die Familie, wenn auch nicht die eigene. Karas x-ter Bruder wurde zum x-ten mal Vater und das soll gefeiert werden. Wie es die hiesige Tradition gebietet, gibt es etwa eine Woche nach Geburt ein grosses Fest mit Familie, Verwande, Bekannte und sonst noch allen, die man so auftreiben kann. Kulleju wird gefeirt, der Zeitpunkt, wenn das Neugeborene ihren respektive seinen Namen bekommt. Und wir waren zur allgemeinen Unterhaltung als Hauptattraktion gebucht... Vorhang auf:

Ultras Taufe war mit zwei Megaphonfrauen vertreten und supportete mit Melodien den neuen Namen, die uns aus Fussballstadien bisher voellig unbekannt waren. Waehrend des Supports zog der Mob auch quer durch die Menge und sammelte fleissig Geld, wohl fuer die Choreo beim naechsten Kulleju-Derby. Bier und Bratwurst als Verpflegung sucht man hier zwar vergebens, dafuer bekommt man als Intro einen mit Sauermilch angeruehrten Reisbrei serviert. In der Verlaengerung wurden noch zwei Ziegen geschlachtet, was ich direkt vom Plumsklo in der Mitte des Innenhofes aus beobachten durfte. Nach neunzig Minuten war fuer uns aber Aufbruch angesagt, langt ja schliesslich auch fuer den Ground und die Zeit wurde knapp, schliesslich stand heute ja ein Doppler an.

der Mangrovenground ist etwas kompliziert zu finden, gibt es zum einen sinnvoller Weise gleich zwei Ortschaften mit dem Namen "Lamin" in Gambia und zum anderen muss man, ist das Richtige Lamin gefunden, an einer unbeschilderten Sandstrasse rechts in eine andere unbeschilderte Sandstrasse abbiegen. Quer durch schwerstes Terrant erreichte man durch beste Bauleistungen aus dem Bremer Mercedeswerk aber doch noch die "Lamin Lodge", von wo aus man auf einer Piroque, einem etwas groesser geratenem Kanu, auf einem Seitenarm des Gambiarivers durch die Mangroven paddeln lassen kann. Der ganze Spass fuer uns zwei plus gleich drei Kapitaenen, die allerhand Interessantes zu erzaehlen wussten, dauerte eine gute Stunde und schlug mit 400 Dalasi zu Buche. In den Kurven wurden ein paar Affen (laut Annika handelt es sich hierbei um Meerkatzen, kenn mich in der Szene nicht so aus - man ergaenzt sich aber prima!) praesentiert, die Gaeste auf der Sandbank waren mit einem Falken und ein paar Krebsen vertreten. Merkt man eigentlich, dass ich auf fussballentzug bin? Ach, wo wir gerade bei Fussball sind: Nach Bakau wurde auch noch ein Abstecher gemacht, steht dort doch mit dem Independence Stadium das Nationalstadion des Landes.

Zurueck in Brikama musste sich unsereins heute mal selbst um Nahrung bemuehen, verweilte die Familie Kara ja noch bei der Zeremonie. Im ersten Restaurant war der Koch nicht da, dafuer wurde man auf dem Markt fuendig, wo fleissige Muetterchen ihre frisch gekochten Waren zu moderaten Preisen veraeussern. Zwei Mittagessen inklusive zwei Beutelchen Wasser fuer weniger als ein Euro, wenn man die hohen Grundnahrungsmittelpreise hier betrachtet, fragt man sich, wo da wohl der Gewinn bleibt. Oder wurde das Verzehrte eigenhaendig gefangen bzw. von der Strasse gekratzt? Was auch immer, lecker war es und Gedanken, was man da gerade ist und unter welchen hygenischen Rahmenbedinungen es hergestellt wurde, sollte man sich sowieso keine Gedanken machen.

Schlechte Nachrichten derweil in der weiteren Planung, sollte das fuer den 9.2. angepeilte Laenderpunkt-Schmankerl Guinea-Bissau ins Wasser fallen. Warum auch immer, hatte man das Testspiel gegen die Nationalauswahl Gambias nach Portugal verlegt. Die seit dem Millitaerputsch Mitte 2010 sehr fragile politische Lage des Landes koennte da durchaus eine Rolle gespielt haben, weswegen auch der Ligafussball dort sehr fraglich erscheint. So World Wide ist das Web dann auch wieder nicht, als dass man hier irgendwelche Anhaltspunkte diesbezueglich finden wuerde. Die Anrufe bei den zwei gefundenen Telefonnummern (GHI und FIFA) fuehrten trotz mehrfacher Versuche leider auch nicht zum gewuenschten Erfolg und betrachtet man die Anreiseschwierigkeiten durch die Casamance erscheint ein "blinder Versuch" auch wenig Attraktiv. Umplanen hies also die Devise, wenngleich das grosse Fragezeichen Autoverkauf und Ausreisebedinungen mit und ohne diesem leider wenig Spielraum liess. Das Laenderspiel Senegal vs Guinea in Dakar wurde trotzdem mal notiert. Der Abstecher in den Senegal klingt relativ sinnvoll, waere am darauffolgenden Wochenende mit dem Championsleaguespiel von Ports Authority dann auch der Laenderpunkt Gambia ordentlich erledigt. In wie fern man bis dahin jedoch den Chef zu einem sinnigen Preis verschachern konnte bzw. in wie weit eine Ausreise auch mit dem Verbleib des Autos in Gambia moeglich ist, bleibt herauszufinden. The African Way of life heisst die Losung und dieser besteht aus drei Dingen: Geduld, Geduld und Geduld. Wer nur annaehernd europaeisch effizientes Denken an den Tag legt, der verliert hier in kuerzester Zeit die Nerven. Bestes Beispiel, dass auch heute wieder nichts drin war mit Berichte schreiben, war zwischen Stromausfall und Stromausfall leider keine Internetverbindung moeglich. Bleibt zu hoffen, dass ich es allgemein irgendwie hinbekomme, noch halbwegs am Ball zu bleiben...

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

"Die Europäer haben die Uhr erfunden, die Afrikaner die Zeit", schöner post macht weiter so...

13/2/11 16:24  
Anonymous Gallendieter said...

Hey Maxe,

ja so ne Afrika Tour bringt einen unheimlich voran! In Afrika kann man Geduld lernen.

Mir fällt dazu folgendes ein!

"Nur wir müssen geduldig sein, dann
dauert es nicht mehr lang"

Passage aus dem Lied vom Xavier Naidoo "Was wir alleine nicht schaffen"

Dieses Lied hat mir auf allen meinen Afrika Touren immer wieder die Laune gerettet.

http://www.youtube.com/watch?v=mOdkh83wqTQ

Weiterhin viel Erfolg.

Gruss GD

13/2/11 23:00  

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